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23.08.2016

Integration steht auf vielen Säulen

Seit dem Frühjahr geht die Zahl der Zuwanderer auch im Kreis Offenbach zurück. Anders als im Herbst vergangenen Jahres hat sich damit der Schwerpunkt der Aufgaben verlagert. Im Mittelpunkt steht jetzt nicht mehr die Beschaffung von Unterkünften, sondern die Integration der Asylbewerber. „Wir sind nun jetzt bei Stufe zwei angelangt, das heißt, wir beschäftigen uns intensiv mit der Eingliederung der Flüchtlinge, insbesondere derjenigen, die eine Perspektive haben, in Deutschland bleiben zu dürfen“, erklären Landrat Oliver Quilling und der Kreisbeigeordnete Carsten Müller.

Das Erlernen der deutschen Sprache hat bei der Integration oberste Priorität. Dieser oft zitierte Satz ist im Kreis kein Lippenbekenntnis. In einer gemeinschaftlichen Aktion haben Behörden, Ämter, Institutionen sowie ehrenamtliche Flüchtlingshelfer kreisweit ein starkes Fundament an Sprach- und Eingliederungskursen aufgebaut. Im vergangenen Jahr gab es rund 40 sogenannte Integrationskurse mit insgesamt 10.000 Unterrichtsstunden. Finanziert wird der Unterricht vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), umgesetzt von der Volkshochschule des Kreises beispielsweise im Haus des Lebenslangen Lernens in Sprendlingen sowie von den lokalen Volkshochschulen in Dreieich, Dietzenbach, Neu-Isenburg und der Außenstelle in Rödermark.

Die Zahl der Integrationskurse wird in diesem Jahr im Vergleich zu 2015 verdoppelt. Im ersten Halbjahr liefen 40 Integrationskurse, im zweiten Halbjahr stehen über 40 Kurse für je 20 Teilnehmer im Programm. Allein die Volkshochschule des Kreises bietet Zuwanderern in 13 Kursen die Möglichkeit, Deutsch zu lernen und mehr über Deutschland zu erfahren. Die Kurse richten sich vor allem an Flüchtlinge mit Bleibeperspektive aus den Ländern Syrien, Iran, Irak, Eritrea und neuerdings auch Somalia. „Die Teilnahme an den Sprach- und Integrationskursen darf keine Eintagsfliege sein. Deutschlernen muss zu einem permanenten Prozess werden, denn nur so kann Integration gelingen, nur auf diesem Weg können aus Fremden Nachbarn werden“, so Landrat Quilling.

Der Kreis bietet neben den Integrationskursen als freiwillige Leistung Orientierungshilfekurse an. Der Unterricht läuft in den Gemeinschaftsunterkünften und umfasst etwa 80 Stunden plus Wiederholungen. Vergangenes gab es insgesamt 50 Kurse mit rund 1.000 Teilnehmern. Im ersten Halbjahr liefen bereits 40 Kurse, je nachdem wie groß die Nachfrage ist, soll es im zweiten Halbjahr wieder 40 Kurse geben.

Außerdem lernen viele junge Zuwanderer in Schulen Deutsch. Knapp 350 Flüchtlinge zwischen 16 und 18 Jahren besuchen 18 sogenannte InteA-Klassen (Integration und Abschluss), die an den Berufsbildenden Schulen in Stadt und Kreis Offenbach angesiedelt sind. Für die jüngeren Schülerinnen und Schüler gab es zum Ende des vergangenen Schuljahres insgesamt 47 Intensiv-Klassen zehn in Grundschulen und zwölf an Haupt- und Realschulen, 22 an Gesamtschulen und drei an Förderschulen.

Eine weitere tragende Säule der Integration durch Sprach-Kompetenz heißt „MitSprache – Deutsch4U“. Dieses vom Land Hessen initiierte Programm richtet sich vorrangig an Zuwanderer, bei denen ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist. Ziel des Kurses ist die alltagsbezogene sprachliche Erstorientierung. Dazu gehören unter anderem Infos zum Gesundheits- und Bildungssystem, zu elementaren gesellschaftlichen Strukturen und zu den Werten der Gesellschaft. Der Umfang der „Deutsch4U“-Kurse beträgt 300 Unterrichtstunden pro Teilnehmerin und Teilnehmer. Im Kreis Offenbach gibt es in diesem Jahr zunächst in Mühlheim, Egelsbach, Langen und Rodgau fünf Kurse mit knapp 80 Flüchtlingen. Wenn das Land das Förderprogramm nächstes Jahr fortsetzt, möchte die Volkshochschule des Kreises diese Kurse in weiteren Kommunen anbieten.

Zusätzlich zu den Integrations-, Orientierungshilfe- sowie den „Deutsch4U“-Kursen engagieren sich in allen Städten und Gemeinden des Kreises viele ehrenamtliche Flüchtlingshelfer in der Sprachförderung. Für sie hat die Volkshochschule des Kreises ein modulares Fortbildungsprogramm und ein Wochenseminar (Bildungsurlaub) entwickelt, mit dem die Ehrenamtlichen bei ihrer sprachpädagogischen Arbeit unterstützt werden. Die Nachfrage ist groß. An den Fortbildungskursen haben bisher rund 300 Leute teilgenommen.

Wenn die Zuwanderer sich nach dem Besuch der Sprachkurse verständigen können, geht der Weg der Integration mit der Suche nach einem Ausbildungs- oder Arbeitsplatz weiter. Auch dabei steht der Kreis den Flüchtlingen mit Hilfsangeboten zur Seite. Unterstützt werden sie unter anderem vom Arbeitsmarktbüro des Kreises und der Agentur für Arbeit, von den Fachkräften der Starthaus-Gesellschaft im Welcome Center, das im Auftrag der Pro Arbeit eingerichtet wurde und von der Industrie- und Handelskammer.

„Die Vielfalt der Sprachangebote und die große Zahl der Kurse verdeutlicht, dass wir möglichst allen Flüchtlingen die Möglichkeiten geben möchten, die deutsche Sprache zu erlernen und mehr über unsere Gesellschaft zu erfahren“, sagt Kreisbeigeordneter Carsten Müller. „Wir wollen niemanden im Abseits stehen lassen, denn wenn wir Flüchtlinge, die ein Bleiberecht haben, nicht unterstützen, erschweren wir die Integration und schaffen soziale Probleme“, so der Sozialdezernent.

Mit den verschiedenen Sprach- und Integrationsangeboten im Kreis werden sich ab September zwei neue Bildungskoordinatoren beschäftigen, die der Kreis auf der Basis einer Förderung des Bundes, eingestellt hat. Die beiden Fachleute werden unter anderem untersuchen, welche Bildungsangebote ergänzt werden können, ob alle Zuwanderer erreicht werden, ob die Angebote effizient sind, und die Experten sorgen für einen Ausgleich im Netzwerk, falls es hier zu viele und dort zu wenige Kurse gibt.

Beim Blick in die Statistik wird deutlich, wie stark die Zahlen der Flüchtlinge heute im Vergleich zum Herbst 2015 zurückgegangen sind. Kamen im IV. Quartal 2015 1.032 und im I. Quartal 2016 noch 1.117 Flüchtlinge an, waren es im II. Quartal nur noch 297 Menschen, die in den kommunalen sowie in den 17 Unterkünften des Kreises untergebracht werden mussten. Im III. Quartal soll der Kreis laut Regierungspräsidium insgesamt 285 Flüchtlinge aufnehmen.

Da es zu keinem Zeitpunkt eine verlässliche Prognose zu der weiteren Entwicklung der Migration durch Krieg und Terror gab, schwankten die Zahlen der Ankommenden stark. Aufgrund des enormen Zustroms im vergangenen Herbst haben der Kreis und die 13 Kommunen in einer großen Kraftanstrengung viele Unterkünfte geplant und realisiert. Durch die Erweiterung der Kapazitäten entstanden auch Reserven, wie beispielsweise das Mattelgebäude in Dreieich oder die beiden kreiseigenen Unterkünfte, die derzeit in Dietzenbach und Obertshausen errichtet werden. Diese garantieren, dass der Kreis bis Jahresende genügend Plätze in petto hat.

Bei der Verteilung der vom Regierungspräsidium zugewiesenen Flüchtlinge bilden die 13 Kommunen und der Kreis eine Solidargemeinschaft, die die Unterbringung bisher nach Einwohnerzahl und sozialen Aspekten mittels einer Quote geregelt hatte. Das wird auch in diesem Quartal noch so praktiziert. Hier werden aber neue Wege überlegt, denn die Gemeinschaftsunterkünfte brauchen eine Mindestbelegung um kostenneutral geführt zu werden. „Denkbar wäre beispielsweise“, erläutert Carsten Müller, „dass eine Kommune eine Unterkunft mit geringer Belegung schließt und die Flüchtlinge in einer anderen Kommune unterkämen, die damit die Mindestbelegung erfüllen könnte.

Über die aktuelle Entwicklung unterrichtet der Sozialdezernent Carsten Müller seine Kolleginnen und Kollegen aus den Kommunen in einem regelmäßigen Jour Fix. Dabei werden auch andere wichtige Aspekte der Flüchtlingsarbeit angesprochen. „In der momentanen Phase steht gerade die Verteilung zur Diskussion, um die finanziellen Belastungen der Städte und Gemeinden sowie des Kreises zu reduzieren, es geht aber auch um fehlenden Wohnraum oder beispielsweise die Rückkehrhilfe“, sagt Kreisbeigeordneter Carsten Müller.

Zuwanderer, die sich mit dem Gedanken beschäftigen, wieder in ihr Heimatland zurückzukehren, erhalten vom Staat eine Beratung und je nach Land eine sogenannte Hilfsleistung für die Startphase, die beispielsweise für Afghanistan und Irak bei 375 Euro für ein Kind unter zwölf Jahren und bis zu 750 Euro für einen Erwachsenen liegen kann. Außerdem werden die Kosten für die Flüge erstattet. Im ersten Halbjahr sind aus dem Kreis Offenbach 72 Flüchtlinge freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt. Geregelt wird die Unterstützung im Förderprogramm der Bund-Länder-Koordinierungsstelle „Integriertes Rückkehrmanagement“.

„Wir sind zuversichtlich“, so der Landrat und der Sozialdezernent abschließend, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt für jeden Fall gut gerüstet sind, denn es ist nicht absehbar, wie sich die internationale Lage entwickelt.“