20 Jahre Option und kommunales Jobcenter im Kreis Offenbach: Kontinuität mit Verantwortung
Option schafft Perspektive – seit zwei Jahrzehnten verfolgt der Kreis Offenbach diesen arbeitsmarktpolitischen Ansatz und verbindet Bürgernähe, Verantwortung und Innovation bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Das Optionsmodell wurde im Rahmen der Hartz-IV-Reformen eingeführt und ermöglicht es Kommunen, die Aufgaben eines Jobcenters eigenständig zu übernehmen. In diesem Rahmen unterstützen die Kommunen Menschen, die auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen sind – und das in eigener Verantwortung. Ziel ist es, passgenaue Lösungen vor Ort zu entwickeln und enger mit regionalen Partnern wie sozialen Trägern oder Unternehmen zusammenzuarbeiten. Als sich der Kreis Offenbach Ende 2004 entschied, zu optieren und damit die Verantwortung für die Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vollständig übernahm, war das eine bewusste Weichenstellung: nah dran an den Menschen und ihren Problemen, schnelle Entscheidungen und maßgeschneiderte Konzepte statt Standardprozesse. Gut zwanzig Jahre später zeigt sich: Die Richtungsentscheidung hat sich bewährt.
„Die Option ist für uns kein pures Verwaltungsmodell, sondern eine Haltung. Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen – für die Menschen, für ihren Weg zurück in Arbeit, für ihre gesellschaftliche Teilhabe“, betont Carsten Müller, Erster Kreisbeigeordneter und Sozialdezernent des Kreises Offenbach. Carsten Müller, der die Entwicklung der kommunalen Trägerschaft seit März 2005 als Sozialdezernent begleitet, sieht in der kontinuierlichen strategischen Ausrichtung einen zentralen Erfolgsfaktor. Da in den Anfangsjahren des Optionsmodells – in den Jahren 2005 bis 2010 – noch keine standardisierte Datenerhebung erfolgte, liegen belastbare Zahlen erst ab 2011 vor. So kann der Kreis im Zeitraum von 2011 bis Ende 2024 auf rund 53.800 Integrationen in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, Ausbildung oder Selbstständigkeit zurückblicken. Das entspricht einem Durchschnitt von etwa 3.800 Integrationen pro Jahr.
Die Zahl der Personen, die im Kreis Offenbach Unterstützung nach dem SGB II erhalten, konnte über die Jahre nahezu konstant gehalten werden. Im Jahr 2005 lag sie bei rund 20.960 – das entsprach etwa 6,2 Prozent der Gesamtbevölkerung. Heute, zwanzig Jahre später, gibt es rund 22.500 Leistungsbeziehende. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung ist mit 6,3 Prozent nahezu identisch – trotz zahlreicher externer Herausforderungen, die das System zwischenzeitlich auf eine harte Probe gestellt haben. Dazu zählt insbesondere die starke Zuwanderung geflüchteter Menschen ab dem Jahr 2015 und die Einbindung ukrainischer Vertriebener in das SGB II ab dem Jahr 2022. Nicht zuletzt durch diese zwei Zuwanderungswellen ist die Einwohnerzahl des Kreises von 338.000 im Jahr 2005 auf aktuell rund 358.000 angestiegen. Hinzukamen die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronapandemie, die ebenfalls zu einem deutlichen Anstieg der Fallzahlen führten. „Dass wir all diese Entwicklungen ohne strukturelle Brüche bewältigen konnten und der Anteil jener, die länger auf Unterstützung angewiesen sind, nahezu stabil geblieben ist, unterstreicht die Belastbarkeit und Kontinuität unseres Modells“, erläutert Carsten Müller.
Als Optionskommune orientiert sich der Kreis konsequent an den Möglichkeiten und Voraussetzungen der Hilfeempfängerinnen und Hilfeempfänger. Die unmittelbare Zuständigkeit ermöglicht kurze Wege und eine enge Verzahnung mit sozialen Diensten, Bildungseinrichtungen und Unternehmen in der Region. Gerade bei der Beratung und Vermittlung durch die Pro Arbeit - Kreis Offenbach - (AöR) zahlt sich dieser Ansatz besonders aus. Mit innovativen Projekten wie dem Jugendberatungsbüro „RoOF - Richtig orientiert im Kreis Offenbach“ wurde beispielsweise ein ganzheitlicher, rechtskreisübergreifender Ansatz geschaffen, der jungen Menschen beim Übergang von der Schule in den Beruf zur Seite steht. Seit Herbst 2024 ergänzt das RoOF-Mobil dieses Angebot: ein speziell ausgestatteter Multivan, der direkt vor Ort – an Schulen oder Jugendzentren – Beratung und Unterstützung anbietet. „So werden auch diejenigen erreicht, die sonst Gefahr laufen, durch das Raster zu fallen“, erklärt der Vorstand der Pro Arbeit, Boris Berner.
Ein weiteres Beispiel für die Handlungsfähigkeit und Reaktionsschnelligkeit als Optionskommune ist die Umsetzung des bundesweiten „JobTurbo“. Durch gezielte Betreuung und passgenaue Vermittlung konnte die Pro Arbeit innerhalb weniger Monate rund 400 Personen – Vertriebene aus der Ukraine sowie Geflüchtete aus Syrien und Afghanistan – erfolgreich in Arbeit bringen. „Der ‚JobTurbo‘ zeigt, dass pragmatische Maßnahmen und individuelle Förderung keine Gegensätze sind, sondern sich optimal ergänzen“, so Boris Berner. „Es geht darum, vorhandene Potenziale zu erkennen und schnell wirksam werden zu lassen – für die Menschen und für den Arbeitsmarkt.“ Seit der Kreis optiert, hat sich das zuständige Jobcenter nicht zuletzt deshalb als verlässlicher Partner erwiesen. „Wir sind davon überzeugt, dass kommunale Verantwortung mehr ist als operative Steuerung – sie ist Ausdruck eines gesellschaftlichen Selbstverständnisses“, stellt Carsten Müller fest. „Der Kreis und die Option stehen für Integration, für Teilhabe und für soziale Gerechtigkeit – mit einem Modell, das sich seit 20 Jahren als tragfähig erwiesen hat.“
Die Entwicklung der vergangenen zwei Jahrzehnte zeigt eindrucksvoll, dass mit der Entscheidung für das Optionsmodell langfristig die richtigen Weichen gestellt wurden. Das diesjährige Jubiläum ist aber nicht nur Anlass zum Rückblick, sondern auch Auftrag für die Zukunft: Digitalisierung, Fachkräftemangel, demografischer Wandel und die Transformation der Arbeitswelt stellen die Verantwortlichen vor neue Herausforderungen, auf die sie mit neuen Antworten reagieren müssen. Dabei bleibt eines unverändert: Im Mittelpunkt stehen diejenigen, die auf Unterstützung angewiesen sind – mit all ihren Stärken und Herausforderungen. „Natürlich kann man nach zwei Jahrzehnten stolz auf stabile Fallzahlen blicken“, resümiert der Erste Kreisbeigeordnete abschließend. „Aber am Ende zählen nicht die Statistiken, sondern der Mensch und seine persönliche Situation. Hinter jeder Zahl auf dem Papier verbirgt sich ein Lebensschicksal. Viele erleben das SGB II als Durchgangsstation. Unsere Aufgabe ist es, genau diesen Menschen eine Perspektive zu geben. Ihnen neue Chancen zu eröffnen, ihnen den Weg zurück in Arbeit zu erleichtern - das ist unser Anspruch, das ist unsere Verantwortung.“
Mehr Informationen über die Pro Arbeit - Kreis Offenbach - (AöR) sind unter www.proarbeit-kreis-of.de abzurufen.