Pater Anselm Grün als Jubiläumsgast: „Ora et labora“ gibt Impuls für Gegenwart und Alltag
Die Regel des heiligen Benedikts – „Ora et labora“ – verbindet Spiritualität und Arbeit zu einer Haltung, die immer noch Orientierung bietet. Genau diese Grundhaltung war Thema eines Vortrags des deutschen Benediktinerpaters, Betriebswirts, Führungskräftetrainers und Autors Pater Anselm Grün am vergangenen Donnerstag im Winterrefektorium des RegioMuseums in Seligenstadt. Dabei ging es um den Blick auf Abläufe, Maß und Verantwortung sowie die Aktualität klösterlicher Weisungen für Beruf, Familie und Ehrenamt. Die vom Kreis Offenbach gemeinsam mit dem Förderverein des Museums ausgerichtete Veranstaltung zeigte, dass das klösterliche Erbe bis heute wertvolle Impulse für ein gelassenes und verantwortungsvolles Leben in einer schnelllebigen Zeit liefert.
Der Abend stand zugleich im Zeichen eines außergewöhnlichen Jubiläums. Vor genau 1.200 Jahren, im Jahr 825, wurde das Kloster Seligenstadt durch Einhard, den Biografen Karls des Großen, gegründet. In seiner Begrüßung verwies Landrat Oliver Quilling auf die Brücke zwischen Geschichte und Gegenwart und unterstrich den Kern des benediktinischen Leitworts: „Ora et labora, Beten und Arbeiten – das ist die Verbindung von Innerlichkeit und Gestaltung der Welt, von geistiger Tiefe und tätigem Leben.“
Pater Anselm Grün spannte den Bogen anschließend von den Regeln der mönchischen Lebensweise bis hin zu Fragen der modernen Arbeits- und Lebensführung. Im Zentrum standen die benediktinische Tagesstruktur, die Kraft wiederkehrender Rituale und die Idee einer Arbeit, die dem Menschen dient, ohne ihn zu erschöpfen. Aus den historischen Bau- und Organisationsleistungen des Klosters leitete er zudem Prinzipien ab, die Orientierung geben können: klare Rhythmen, verlässliche Verantwortung und bewusste Zeiten der Sammlung als Gegenpol zu Beschleunigung und Reizüberflutung. So wurde sichtbar, wie die klösterliche Praxis bis heute zu einer gelingenden Zusammenarbeit, zu Achtsamkeit im Miteinander und zu tragfähigen Entscheidungen beitragen kann.
Grün nahm das Publikum dabei mit auf eine gedankliche Reise durch die klösterliche Tagesstruktur, durch Zeiten der Stille und der Arbeit. „Ora et labora” sei laut Grün kein Rückzug, sondern ein Weg zu mehr Tiefe und Kraft inmitten der Welt. Gleichzeitig hob der Benediktinermönch die Bedeutung des Maßhaltens – im Tun wie im Lassen – hervor.
Zum Abschluss dankte Landrat Oliver Quilling dem Referenten für seine eindrucksvollen Gedanken. Als Zeichen der Wertschätzung wurde Pater Anselm Grün die Einhard-Medaille ausgehändigt. Sie ist eine Jubiläums-Gedenkmedaille der Einhard-Gesellschaft e. V. in Seligenstadt und knüpft an eine Tradition früherer Jahrhundert-Prägungen an. Im Anschluss nutzten viele Gäste die Möglichkeit, mit dem Geistlichen am Büchertisch zu sprechen und sich seine Werke signieren zu lassen. Dabei standen die persönliche Begegnung und vertiefende Fragen im Mittelpunkt.