Ehrenamtliches Engagement stärkt das Wir-Gefühl
Landrat Oliver Quilling zeichnet verdiente Bürger mit dem Ehrenbrief des Landes Hessen aus
Gesellschaftlicher Zusammenhalt entsteht dort, wo Menschen Verantwortung übernehmen – nicht aus Pflicht, sondern aus innerer Überzeugung. Die Harmonie und das Wir-Gefühl wachsen, vor allem wenn Menschen in Vereinen, Verbänden, Organisationen und Initiativen freiwillig und motiviert mitarbeiten. Vier ehrenamtliche Kräfte wurden am Mittwoch im Winterrefektorium im Kloster Seligenstadt für ihre langjährigen Verdienste ausgezeichnet. Landrat Oliver Quilling überreichte Andreas Beseler und Stephan Hofmann-Dern aus Rodgau sowie Heinz Kapp aus Neu-Isenburg und Winfried Wolf aus Mainhausen den Ehrenbrief des Landes Hessen und dankte den engagierten Bürgern für ihre Leistungen.
„Unser Gemeinwesen lebt von der Mitwirkung und Mitgestaltung seiner Bürgerinnen und Bürger, die mit ihrem vielfältigen Engagement die Lebensqualität der Menschen im Kreis Offenbach entscheidend verbessern“, sagte Landrat Oliver Quilling in seiner Laudatio. Er sieht den Staat nicht in der Funktion, alles regeln und erledigen zu müssen. „Vieles können die ehrenamtlichen Kräfte oft rascher und bürgernäher leisten. Dies ist keine Schwäche der staatlichen Strukturen. Es ist vielmehr das Zeichen einer lebendigen Demokratie: ein klares Bekenntnis zum Prinzip der Solidarität und ein starker Ausdruck jeder und jedes Einzelnen, Verantwortung zu übernehmen.
Andreas Beseler
Das soziale Engagement des Rodgauers zeigt eine große gesellschaftliche Wirkung. Mit der Gründung und Leitung der „Besi & Friends-Stiftung“ hat Andreas Beseler einen institutionellen Rahmen geschaffen, der Hilfe für Menschen mit neurologischen und Autoimmun-Erkrankungen in ganz Deutschland und darüber hinaus professionalisiert. Während die meisten Bürgerinnen und Bürger bestehende Vereine und soziale Organisationen unterstützen, hat der 60-Jährige nicht den traditionellen Weg eingeschlagen, sondern ist einen Schritt weitergegangen. Er gründete selbst eine Initiative, um Menschen mit einem Handicap zu helfen und Leute zu motivieren, andere zu unterstützen.
Andreas Beseler hat seine Erkrankung an Multiple Sklerose öffentlich gemacht und 2013 die Initiative „Rad statt Rollstuhl / Besi & Friends“ ins Leben gerufen. Auf seinem persönlichen Weg – vom Rollstuhl zurück aufs Fahrrad – hat er sich nicht als private Erfolgsgeschichte inszeniert, sondern es ist ihm gelungen, anderen Menschen einen Impuls und neue Perspektiven für ihr eigenes Leben zu schenken. Mit unermüdlichem Engagement wurde aus einer individuellen Leistung ein kollektiver Gewinn. Er hat bei verschiedenen Aktionen Geld gesammelt, um damit die Natalie-Todenhöfer-Stiftung, die Menschen mit Multiple Sklerose hilft, zu unterstützen und um sukzessive eine eigene Stiftung aufzubauen.
„Dieses große Projekt ist Dir dank Deiner Ausdauer und der Hilfe vieler Bürgerinnen und Bürger gelungen“, lobte der Landrat. „Unser Gemeinwesen lebt von Persönlichkeiten wie Dir, die bereit sind, über individuelle Interessen hinauszugehen und ihre Energie sowie Kreativität auch in schwierigen persönlichen Lebenslagen in den Dienst des Gemeinwohls zu stellen.“
Der Einsatz über rund ein Dutzend Jahre würde allein schon größten Respekt verdienen, doch mit einem Handicap und angesichts seiner eigenen Herausforderungen ist es beachtenswert, was Andreas Beseler bisher geleistet hat. Er schaffte es, die Stiftung zu einer wichtigen Plattform für Betroffene auszubauen und sie zu einem erfolgreichen Modell für Inklusion, Barriere-Abbau, Mobilitätsförderung sowie gesellschaftliche Teilhabe zu entwickeln. Über eine Million Euro stärken das Fundament, auf dem eine gezielte Hilfe zur Selbsthilfe entstanden ist und Mobilität als Lebensqualität und gesellschaftlicher Wert gesehen werden. Die Stärkung der Selbstständigkeit gilt für den Rodgauer als praxisorientiertes Leitmotiv, das Betroffene motiviert.
„Besonders beeindruckend bei Deinem langjährigen Engagement ist Deine Offenheit und Zugewandtheit, mit der Du Netzwerke knüpfst, Menschen inspirierst und Hoffnung spendest. Deine Leistung und Fähigkeit, aus persönlicher Betroffenheit kollektive Motivation und reale Unterstützung zu schaffen, ist eine seltene Kombination. Dein Engagement verdient höchste Anerkennung“, sagte der Landrat bei der Verleihung des Landesehrenbriefes.
Stephan Hofmann-Dern
Ohne engagierte Menschen wie Stephan Hofmann-Dern, die helfen, ausbilden, organisieren und Netzwerke schaffen, wäre die Gesellschaft weniger sicher und weniger menschlich. Der Rodgauer kam schon als Elfjähriger, damals in seinem Wohnort Kriftel im Vordertaunus, zum Deutschen Roten Kreuz. Seitdem zeigt er im Ehrenamt, was nachhaltige Zivilgesellschaft ausmacht und dass kontinuierliches und breit gefächertes Engagement mehr als ein Projekt ist, sondern sich zu einer Lebenseinstellung mit großer gesellschaftlicher Relevanz entwickeln kann.
Seine Einsatzbereitschaft wurde nach dem Umzug von Kriftel nach Rodgau nicht schwächer. Sein kollegiales Wirken über Vereinsgrenzen hinweg hat neue Kooperationen ermöglicht und beide DRK-Ortsvereine, in Kriftel wie in Rodgau, enger zusammengeführt. Die Arbeit ist getragen von dem Willen, Hilfe zu professionalisieren und die Übertragbarkeit guter Praxis zu sichern. „Bemerkenswert ist nicht allein die Dauer Ihres Engagements, sondern die Vielfalt der Aufgaben, die Sie im Laufe der Jahrzehnte beim DRK übernommen haben: Ausbilder, Krisenmanager, Bereitschaftsleiter, Gruppenführer im Katastrophenschutz, Leitungs- und Koordinierungshelfer, Multiplikator und Brückenbauer“, so Landrat Oliver Quilling.
Seiner Ansicht nach zeige sich die Stärke einer Gesellschaft nicht allein in ihren Institutionen, sondern in der Haltung ihrer Menschen. Bürgersinn, Solidarität und Verantwortungsbewusstsein seien keine abstrakten Begriffe – sie würden dort konkret, wo Menschen bereit sind, sich einzubringen, Verantwortung zu übernehmen und anderen zu helfen, ohne dafür einen persönlichen Vorteil zu erwarten.
Stephan Hofmann-Dern gelang es während der Corona-Pandemie, dank digitaler Fortbildung den Teamgeist und das Know-how der Gruppe zu erhalten. Als Fachmann in der Telekommunikationsbranche bringt er berufliche Expertise in seine ehrenamtliche Arbeit ein. Er betreut die digitalen Kommunikationskanäle, die Homepage, Instagram, Facebook & Co. Bei Einsätzen – etwa während der Hochwasserkatastrophe 2013 in Magdeburg – vermittelte er jüngeren Kolleginnen und Kollegen sein Fachwissen und seine innere Haltung, die professionelle Hilfe erst wirksam macht.
Besonders hervorzuheben ist die Spezialausbildung des 60-Jährigen in der psychosozialen Notfallversorgung (PSNV-E). Diese Tätigkeit verlangt ein hohes Maß an psychologischer Sensibilität und Selbstreflexion. Sie bedeutet, Menschen in Extremsituationen zu begleiten und zu stabilisieren sowie danach auch die Helfenden selbst zu unterstützen.
Es gab viele Jahre, in denen Stephan Hofmann-Dern in seinem Ehrenamt durchschnittlich 600 bis 700 Dienststunden geleistet hat. „Das spricht für Verlässlichkeit und soziale Verantwortung, die Sie verkörpern. Der Ehrenbrief des Landes Hessen ist Ausdruck gesellschaftlicher Anerkennung für ein Lebenswerk, das Sie zu einem großen Vorbild macht“, sagte der Landrat.
Heinz Kapp
Der Neu-Isenburger steht seit über vier Jahrzehnten für ein Engagement, das wissenschaftliche Präzision mit bürgerschaftlicher Verantwortung verbindet. Seine Biografie zeigt ein beispielhaftes Leben für den Naturschutz. Als ehrenamtlicher Vogelschutzbeauftragter der Stadt Neu-Isenburg – ein Amt, das er seit 1981 mit ungebrochener Verlässlichkeit ausübt – dokumentiert und beobachtet er die lokale Vogelwelt. Der 76-Jährige installiert Nisthilfen, berät Bürgerinnen und Bürger und pflegt ökologische Lebensräume. Bei seiner ehrenamtlichen Arbeit verbindet er Wissenschaft und Handwerk sowie Theorie und Praxis. Er gibt seine Erfahrungen in Wald und Flur, aber auch die, die er zu Hause mit Photovoltaik und Batteriespeicher gemacht hat, an Interessierte weiter.
„Gesellschaftlicher Fortschritt misst sich nicht nur an technischen Innovationen, sondern an der Fähigkeit, Verantwortung über die eigene Lebenszeit hinaus zu denken. Wer Natur schützt, schützt in erster Linie Landschaften, aber auch immer die kulturelle und ökologische Grundlage menschlicher Existenz. Diese Haltung prägt das jahrzehntelange Wirken von Ihnen, Herr Kapp – Ingenieur, Lehrer, engagierter Bürger und leidenschaftlicher Naturschützer, so Oliver Quilling in seiner Laudatio.
Seit 1978 gehört Heinz Kapp dem damaligen Deutschen Bund für Vogelschutz, dem heutigen Naturschutzbund Deutschland (NABU) an. Ein Jahr später übernahm er Verantwortung als Zweiter Vorsitzender, seit 1998 leitet er die Ortsgruppe Neu-Isenburg als Erster Vorsitzender und steht somit über ein Vierteljahrhundert an der Spitze einer Organisation, die lokale Verantwortung mit globaler Perspektive verbindet.
In seiner Leitungsfunktion sucht er stets den Dialog und lässt andere teilhaben an seinem Wissen. Er motiviert mit seiner Integrationskraft und der Fähigkeit, Menschen für ein gemeinsames Ziel zu gewinnen. Ökologische Aufklärung, Bildung zum Thema Natur- und Umweltschutz sowie die Jugendarbeit liegen ihm am Herzen. 1997 gründete er die Naturschutzjugend in Neu-Isenburg und lehrte Kinder und Jugendliche, wie Frösche über die Straße getragen, Nistkästen gereinigt und Lebensräume gepflegt werden. Heinz Kapp ist es bei der Nachwuchsschulung stets gelungen, abstrakten Umweltschutz in konkretes Handeln umzuwandeln. Seit vielen Jahren wirkt er als Naturschützer und zugleich als Mentor einer Generation, die den Respekt vor der Natur nicht lehrbuchhaft, sondern erlebnisbasiert erfährt.
Als Gründungsmitglied der städtischen Arbeitsgruppe Umwelt von 1982 prägt er seit vier Jahrzehnten den Naturschutz auf lokaler Ebene. Der Schutz der natürlichen Ressourcen sowie der Erhalt der Lebensräume ziehen sich wie ein roter Faden durch sein Lebenswerk. Seit 2010 engagiert er sich in der Arbeitsgruppe Radverkehr, später in der AG Klimaschutz sowie in der AG Grün und verbindet dabei die Verwaltung und die Politik mit der Zivilgesellschaft. Wer mit ihm zusammenarbeitet, beschreibt ihn als jemanden, der nicht nur über Natur redet, sondern in und mit ihr arbeitet.
„Sie haben in Ihrem Leben gezeigt, dass ökologisches Bewusstsein und bürgerschaftliches Engagement einander bedingen. Ihr Wirken hat Spuren hinterlassen – in der Landschaft Ihrer Heimatstadt, im Denken vieler Menschen und im Bewusstsein der kommenden Generationen“, sagte der Landrat und dankte Heinz Kapp für seine außergewöhnliche Lebensleistung.
Winfried Wolf
Musik, konkret der Chorgesang, steht bei Winfried Wolf im Mittelpunkt seines ehrenamtlichen Engagements. „Musik ist ein verbindendes Element, sie ist mehr als Klang, sie ist ein soziales Band, das Menschen über Generationen hinweg und ungeachtet ihrer Herkunft sowie Weltanschauungen vereint“, sagte Landrat Oliver Quilling in seiner Rede zur Verleihung des Landesehrenbriefes an den Mainhäuser.
Der 85-Jährige ist seit über sechs Jahrzehnten tonangebend und eine tragende Säule des Gesangvereins Liederkranz 1903 Zellhausen. Mit seiner Arbeit hat er den Traditionsverein lange Zeit organisatorisch und kulturell geprägt – als Rechner im Hauptvorstand, als Schriftführer, Beisitzer und seit zehn Jahren als Vorstandsmitglied für Sonderaufgaben.
Das gesellschaftliche Miteinander, die kulturelle Vielfalt und soziale Stabilität basieren auf dem Einsatz von Bürgerinnen und Bürger wie Winfried Wolf, der in vielen Bereichen jahrzehntelang Verantwortung übernommen und das Gemeindeleben praktisch gestaltet hat. Dank seiner Erfahrung in der Vereinsarbeit gelingt es ihm, auch in schwierigen Gesprächen mit Humor und Offenheit tragfähige Lösungen zu erzielen.
Bei ihm dreht sich Vieles um die Musik und den Gesang, aber nicht alles nur um einen Verein. Vor knapp 40 Jahren gründete er gemeinsam mit anderen den Förderkreis Internationale Chortage Mainhausen, in dem er Ende der 80er Jahre die ersten der zehn Chortage mitorganisierte und sich im Verein lange Zeit um eine stabile Finanzlage kümmerte. Der Förderkreis löste sich zwar wegen der Pandemie auf, doch er hatte weiterhin genug zu tun. Schließlich warteten noch andere ehrenamtlichen Aufgaben als Schiedsmann in Mainhausen sowie in der Pfarrei St. Wendelinus Zellhausen auf Winfried Wolf.
Die kirchliche und soziale Verantwortung übernahm er im Verwaltungsrat der Pfarrei sowie über viele Jahre als Küster der Kirchengemeinde. Gemäß der Erkenntnis, dass es nie zu spät ist, mit einem neuen Ehrenamt zu beginnen, engagiert er sich neuerdings auch im Förderverein St. Wendelinus. Er kümmert sich um die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, besucht Jubilare, betreut Kranke und geht auf Menschen zu, die Unterstützung brauchen. Seine Verlässlichkeit und Sachkenntnis haben ihn zu einer zentralen Stütze in der Pfarrei gemacht. Landrat Oliver Quilling bezeichnete das Lebenswerk von Winfried Wolf als ein vorbildliches Beispiel für das, was der Ehrenbrief des Landes Hessen würdigt: nachhaltiges, integratives generationsübergreifendes Engagement, das den Bürgerinnen und Bürgern hilft und in der Zivilgesellschaft Identität stiftet.