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08.10.2003

Automatischer Notruf im Unglücksfall in ganz Europa

EU-weites Modellprojekt in der Leitstelle des Kreises Offenbach live getestet

Schnellste Rettung bei Autounfällen, europaweit in der Muttersprache und das KFZ wählt selbstständig die 112 an - was heute noch wie Zukunftsmusik klingt, könnte ab 2006 für alle Fahrzeuge möglich sein. Ein kleiner Kasten, auf Wunsch als Zusatzausstattung, wird es möglich machen. Er soll, so eine Empfehlung der Europäischen Union in wenigen Jahren ebenso selbstverständlich sein, wie Airbags und das ABS (Antiblockiersystem), das heute in den meisten Fahrzeugen serienmäßig enthalten ist. Derzeit läuft in sechs Mitgliedsstaaten – Deutschland, England, Italien, den Niederlanden, Schweden und Spanien - ein Modellprojekt. Ziel ist die Entwicklung eines manuell und automatisch arbeitenden europaweit einheitlichen Notruf-System in Kraftfahrzeugen, das bei einem Unfall ohne Zeitverzögerung einen Notruf an die zuständige, nächstgelegenen Rettungsleitstelle absetzt.

Am Mittwoch wurde diese KFZ-Zukunft in der Leitstelle des Kreises Offenbach, die als einzige in Deutschland an diesem Projekt teilnimmt, erprobt. Die telmacon GmbH mit Sitz in Seligenstadt, die Lösungen in den Bereichen Telematik und Telekommunikation entwickelt, demonstrierte erstmals den Ernstfall, mit verschiedenen Unfallsimualtionen. Im Testfahrzeug ist eine „Blackbox“ der ACUNIA AG im Taschenbuchformat installiert. Diese hat es in sich: Sie ist mit dem GPS (Global-Position-System) und einem GSM Modul ausgerüstet. Im Schadensfall sendet diese automatisch eine SMS an die Leitstelle. Zudem erfolgt ebenfalls automatisch in der gleichen Sekunde ein Rufaufbau zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Leitstelle, um den direkten Kontakt mit den Insassen des Unfallfahrzeuges herzustellen. Die SMS an die Leitstelle enthält neben den genauen Koordinaten der Unfallstelle und der Zeit auch die Information, welcher Crash-Sensor beispielsweise auch Airbagsignal, die Unfallmeldung ausgelöst hat. Dadurch können die Beschäftigten in der Leitstelle besser einschätzen, wie hoch das Ausmaß des Schadens ist und optimierter den Rettungseinsatz organisieren. Eine weitere zeitgleich abgesetzte SMS informiert, wenn ein Servicevertrag existiert, beispielsweise den Gesamtverband der Versicherer in Deutschland über den Unfall. Die Leitstelle kann von dort weitere Informationen über das Fahrzeug und den Halter, wie beispielsweise Versicherung beistellen und erhält Daten, welche Polizeidienstelle, die für weitere Aktivitäten, zum Beispiel der Information von Angehörigen, nützlich sind.

„Derzeit hängt die schnelle Hilfe im Schadensfall von anderen Verkehrteilnehmern ab“, führt Landrat Peter Walter aus. „Je schneller Hilfe am Unglücksort eintrifft, desto glimpflicher sind meist die Folgen für die Unfallbeteiligten. Auch bei uns kommt es immer noch vor, dass Fahrzeuge mehrere Stunden im Graben liegen und niemand den Unfall bemerkt.“ Um dies in Zukunft zu vermeiden, arbeiten europäische Partner aus verschiedenen Bereichen im Projekt „E-Merge“ zusammen. Sie kommen aus der Automobilbranche, sind Systemhersteller, Service Provider, betreiben Rettungsleitstellen oder sind Polizeiorganisationen oder Behörden. Das Projekt wird zur Hälfte von der Europäischen Union finanziert, die andere Hälfte tragen die beteiligten Unternehmen.

„Bereits jetzt kann für viele Kraftfahrzeuge der Oberklasse diese Sicherheitstechnik bestellt werden“, erläutert der Projektmanager Heino Schütz der telmacon. „Es sind jedoch nur individuelle und keine standardisierte Lösungen des Problems verfügbar. Verunglückt beispielsweise ein in Deutschland zugelassener Opel in Spanien, so meldet die „Blackbox“ den Unfall im Servicecenter des Autoherstellers in Deutschland. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter informieren dann die zuständige Rettungsleitstelle in Unfallnähe. Auf diesem Weg geht unnötig Zeit verloren, die für die Insassen möglicherweise die Entscheidung über Leben und Tod bedeutet.“

Zurzeit wird das System in den sechs beteiligten Ländern getrennt getestet. Ende dieses Jahres sollen die Tests auch grenzübergreifend durchgeführt werden. Im Idealfall soll zum Beispiel ein italienischer Autofahrer, der im Kreis Offenbach verunglückt, eine muttersprachliche Verbindung zu seinem Serviceprovider in Italien durch die Rettungsleitstelle erhalten. Dies wird durch eine Konferenzschaltung mit Hilfe einer europaweiten kostenlosen Rufnummer, die in dem Datensatz aus dem Fahrzeug enthalten ist, durch Organisationen wie in Deutschland dem Gesamtverband der Versicherer ermöglicht. „Dadurch ist in ganz Europa schnelle Hilfe im Schadensfall garantiert“, so der Landrat und der Projektmanager abschließend, „und es gehen keine wertvollen Sekunden im Kampf um Leben und Tod verloren.