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12.09.2006

Defizit weiter erhöht

Kreishaushalt erneut nicht ausgeglichen

Das jahresbezogene Defizit im Haushalt 2006 des Kreises Offenbach wird sich um 10,5 Millionen Euro auf 49,8 Millionen Euro erhöhen. Im Verwaltungshaushalt stehen aktuell Ausgaben in Höhe von 451,3 Millionen Euro (Ansatz 2006: 438,9 Millionen Euro) Einnahmen in einer Größenordnung von 384,6 Millionen Euro (Ansatz 2006: 382,8 Millionen Euro) gegenüber. Der Vermögenshaushalt umfasst 64,7 Millionen Euro. „In den Bereichen, in denen wir das Ruder in der Hand haben, befinden wir uns im Planungskorridor“, kommentiert Landrat Peter Walter den Nachtragshaushalt 2006. „Durch erhebliche Mehraufwendungen im Sozialetat konnten wir diesen positiven Trend nicht auf den gesamten Haushaltsplan übertragen. Daher ist der Nachtragshaushalt 2006 in zwei Teile zu gliedern: Die Einzelpläne 0 bis 3 und 5 bis 9 auf der einen Seite sowie der Einzelplan 4 auf der anderen Seite.“

„Die ersten Auswirkungen der überall zu bemerkenden Konjunkturbelebung machen sich auch in unserem Nachtrag bemerkbar“, führt der Landrat weiter aus. „Ebenso können wir die ersten Erfolge unserer konsequent betriebenen Haushaltskonsolidierung in den vergangenen Jahren positiv spüren. Wie alle anderen Landkreise in Deutschland auch, haben wir in jedem Jahr bei der Haushaltsaufstellung das Problem, dass wir nicht wissen, wo der Gesetzgeber als nächstes zuschlägt. Lediglich in drei Einzelplänen (Schulen; Soziale Sicherung; Gesundheit, Sport, Erholung) konnte der Kreis Offenbach im Nachtragsplan keine Mehreinnahmen gegenüber dem Ansatz 2006 erzielen. Mehreinnahmen in Höhe von rund 120.000 Euro kennzeichnen die Einzelpläne 0 – Allgemeine Verwaltung und 1 – Öffentliche Sicherheit und Ordnung. Ursache hierfür sind Umschichtungen und Anpassungen an die aktuellen Zahlen. Auch im Einzelplan 3 – Wissenschaft, Forschung, Kulturpflege konnten Mehreinnahmen in Höhe von rund 63.000 Euro veranschlagt werden. Diese sind insbesondere zurückzuführen auf Erhöhungen von Zuweisungen und Zuschüssen. Knapp 190.000 Euro Mehreinnahmen sind im Einzelplan 6 – Bau- und Wohnungswesen, Verkehr kalkuliert. Im Einzelplan 7 – Öffentliche Einrichtungen, wirtschaftliche Förderungen sind Mehreinnahmen in Höhe von knapp 13.000 Euro und Minderausgaben in Höhe von rund 27.000 Euro geplant. Mehreinnahmen in Höhe von etwa 270.000 Euro sind im Einzelplan 8 – Wirtschaftliche Unternehmen, allgemeine Grund-/Sondervermögen kalkuliert. Dies geht auf die Gewinnausschüttung der Sparkasse Langen-Seligenstadt zurück. Im Einzelplan 9 – Allgemeine Finanzwirtschaft stehen rund eine Million Euro an Mehreinnahmen gegenüber dem Planansatz 2006. Ursache hierfür sind Mehreinnahmen bei der Grunderwerbssteuer. Bedingt durch die steigenden Zinsen ergibt sich ein Mehrbedarf bei den Ausgaben für Kassenkredite. Dieser Betrag kann aber durch Mehreinnahmen kompensiert werden, die sich der Kreis durch die ständige Beobachtung der Marktentwicklung in Zusammenarbeit mit der beratenden Bank im Rahmen eines aktiven Kreditportfoliomanagements erwirtschaftet hat.

Die steigenden Energiekosten sind eine der beiden Ursachen für die Erhöhung des Ansatzes im Einzelplan 2 – Schulen. Gemäß den Verträgen mit den beiden privaten Partnern bei der Bewirtschaftung und Instandhaltung der Schulen wirken sich diese auf den Ansatz für das Leistungsentgelt aus. Ebenso macht sich in diesem Bereich die Steigerung an Flächen der Schulen bemerkbar. Rund 9.000 Quadratmeter mehr Schulraum haben die beiden Projektgesellschaften seit dem Vertragsabschluss zu bewirtschaften. Durch die verschiedenen Neubau- und Erweiterungsmaßnahmen an unseren Schulen steigt die Anzahl der Flächen kontinuierlich an. Im Einzelplan 5 – Gesundheit, Sport, Erholung stehen Mindereinnahmen in Höhe von 22.000 Euro Mehrausgaben in Höhe von 38.000 Euro gegenüber.

„Damit liegen wir in der Summe dieser Einzelpläne annähernd eine Million unter dem Planansatz für den Haushalt 2006“, bilanziert Peter Walter. „Diese Zahlen bestätigen unsere Konsolidierungsbemühungen und zeigen deutlich, dass unsere Entscheidungen zur Verwaltungsmodernisierung, Personalmanagement, aktivem Schulden- und Beteiligungsmanagement sowie die Umsetzung von PPP-Projekten, wo immer es wirtschaftlich sinnvoll ist, richtig gewesen ist. Durch die Beschränkung auf unsere Kernaufgaben konnten weitere positive Effekte erzielt werden.“

„Im Vermögenshaushalt haben wir geringe Veränderungen im Bereich Schulbau vorgenommen“, ergänzt die Erste Kreisbeigeordnete Claudia Jäger. „Bei einigen Maßnahmen haben wir den Ansatz reduziert, weil verschiedene Bauleistungen in diesem Jahr noch nicht kassenwirksam werden. Diese Gelder sind in die Finanzierung des Neubaus für das Gefahrenabwehr- und Gesundheitszentrum in der Gottlieb-Daimler-Straße geflossen.“

„Trotz aller Anstrengungen unsererseits wird sich unser jahresbezogenes Defizit um 10,5 Millionen Euro von 39,3 auf 49,8 Millionen Euro erhöhen“, so Walter weiter. „Diese Summe resultiert fast ausschließlich aus dem Einzelplan 4 und den damit verbundenen Gesetzen, deren Konsequenzen der Kreis bereits schon im letzten Jahr und auch in diesem Jahr tragen muss.“

Sozialdezernent Carsten Müller: „Hier baden wir die Fehler eines mit heißer Nadel gestrickten Gesetzes aus! Union und SPD hatten sich im Dezember vergangenen Jahres im Koalitionsausschuss geeinigt, dass sich der Bund in den Jahren 2005 und 2006 mit einer festen, auch nachträglich nicht mehr revidierbaren Quote von 29,1 Prozent an den Miet- und Heizkosten der Arbeitslosengeld-II-Empfängern beteiligt; den Rest tragen die Kommunen.“

Damit reiße die derzeitige Regelung immense Löcher in den Haushalt, so Müller. Da die Zahl der Bedarfsgemeinschaften steige, entspreche der 29,1-Prozent-Anteil des Bundes nicht mehr den ursprünglich angesetzten 3,55 Milliarden, sondern bereits 3,92 Milliarden Euro. „Schon für 2006 muss der Bund also 400 Millionen Euro mehr auf den Tisch legen“, erklärt Müller.

Noch größere Mehrausgaben kämen in diesem Jahr aber auf die Kommunen zu. Um die zugesagte Entlastung von 2,5 Milliarden Euro sicherzustellen, hätte der Bund eigentlich einen Zuschuss von 5,61 Milliarden Euro leisten müssen, was einer Quote von 41,6 Prozent entspräche. Da die Quote aber für 2006 bei 29,1 Prozent gedeckelt sei, blieben die Kommunen im laufenden Jahr auf Mehrkosten in Milliardenhöhe Euro sitzen. „Dieses Geld können wir nicht nachfordern“, stellt Müller klar. „Das geht zu unseren Lasten, weil sich der Deutsche Städtetag entgegen der Empfehlung des Deutschen Landkreistages auf die Festschreibung eingelassen hat.“ Der Deutsche Städtetag beziffert die erwartete Mehrbelastung der Kommunen im laufenden Jahr auf mindestens 1,5 Milliarden Euro. Für 2007 sei gar eine Deckelung von 19,1 Prozent im Gespräch. Dies würde eine weitere schwere Belastung für die Haushalte der Kommunen und damit auch für unseren Haushalt darstellen.

Auch die teilweise Ungleichbehandlung von Kommunen und Arbeitsgemeinschaften hat, laut Müller, „gravierende Auswirkungen auf die finanzielle Lage!“ Müller: „Von einer Gleichbehandlung der Leistungsträger - und damit einem fairen Wettbewerb zwischen Optionskommunen und Arbeitsgemeinschaften - konnte und kann nach wie vor nicht die Rede sein.“

Bereits in der Vorbereitungsphase im Herbst 2004 stellte das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit den Leistungsträgern unterschiedlich hohe Budgets im Zusammenhang mit der Einführung von Hartz IV zur Verfügung. „Während die lmplementierungskosten für die Optionskommunen bei 150 Euro je Bedarfsgemeinschaft gedeckelt wurden, lagen diese für die Bundesagentur für Arbeit bei durchschnittlich 223,33 Euro“, kritisiert Müller die unterschiedliche finanzielle Ausstattung durch den Bund. „Hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Das geht nicht!“ Eine Tatsache, so der Sozialdezernent, die übrigens selbst der Bundesrechnungshof bemängle.

Und die Ungleichbehandlungen setzten sich fort. Vor allem aber bei den Zahlungen für die Bedarfsgemeinschaften wurden die optierenden Kommunen laut Müller immens benachteiligt. „So wurden unsere Zahlen bisher schlicht von der Bundesagentur für Arbeit geschätzt.“

Müller: „Zur Überprüfung der Plausibilität der von den Optionskommunen gelieferten Arbeitslosenzahlen bedient sich die Bundesagentur für Arbeit eines linearen Regressionsmodells. In diesem Modell wird die Anzahl der Arbeitslosen im Rechtskreis SGB II des jeweils aktuellen Berichtsmonats durch zwei Komponenten erklärt. Einerseits die Zahl der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die ohne Einführung des SGB II Sozialhilfe empfangen würden; andererseits die Zahl der Arbeitslosen, die ohne Einführung des SGB II Anspruch auf Arbeitslosenhilfe gehabt hätten. Weil beide Größen nicht vorliegen, werden sie annäherungsweise bestimmt. Dies führt im Kreis Offenbach dazu, dass wir im Herbst 2005 dem Bund für 2006 10.000 Bedarfsgemeinschaften gemeldet haben. Anerkannt wurden jedoch nur 9.205 Bedarfsgemeinschaften. Tatsächlich stieg jedoch die Zahl auf mittlerweile 11.500 Bedarfsgemeinschaften an. Das heißt: Wir bleiben auf den Kosten für exakt 2.295 Bedarfsgemeinschaften sitzen.“

Dies, so Müller, habe zwangsläufig Auswirkungen auf unseren Haushalt. Müller: „Denn real mussten wir natürlich für 11.500 Bedarfsgemeinschaften aufkommen!“ Der Bund stelle sich auf den Standpunkt, dass die Kommunen sämtliche Kosten für all jene Leistungsbezieher zu übernehmen hätten, die erstmals Anspruch auf Transferleistungen unter dem Hartz IV-Regime haben, macht der Sozialdemokrat deutlich. „Fakt ist jedoch: Erst durch die Änderung der Anspruchsvoraussetzungen beim Wechsel von der Sozial- und Arbeitslosenhilfe zum ALG II und Sozialgeld sind Leistungsbezieher im Sinne des Gesetzes hilfebedürftig geworden. Diesen Anstieg muss sich der Bund als Gesetzgeber daher auch kostenmäßig zurechnen lassen.“

Vor allem, weil er aus erheblichen gesetzgeberischen Mängeln entstanden sei, betont Müller. „Ich möchte hier nur beispielhaft die zunächst unzureichende rechtliche Präzisierung bei den eheähnlichen Lebensgemeinschaften und die zunächst vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit der Gründung einer eigenen Bedarfsgemeinschaft für Jugendliche nennen. Beide Gesetzeslücken sind zwar mittlerweile geschlossen, seit diesem Jahr gilt in beiden Fällen eine Beweislastumkehr. Der finanzielle Schaden jedoch muss von den Kommunen beglichen werden.“

Noch fragwürdiger werde die Argumentation des Bundes, so Müller, wenn man in Betracht zieht, dass der Bund bei den Kosten der Unterkunft sehr wohl von Realzahlen ausgehe, nicht jedoch bei seinen Zahlungen für die Bedarfsgemeinschaften. Müller: „Statt seine Zahlungen von zu erwartende Zahlen und Schätzwerten abhängig zu machen, sollte der Bund besser ein an den Realitäten ausgerichtetes Budget einrichten und die Kommunen hieraus auf Grundlage der tatsächlich in einem Jahr angefallenen Kosten für die Bedarfsgemeinschaften bezahlen.“

„Insgesamt wird sich die Haushaltssituation ab dem kommenden Jahr verbessern“, sieht Landrat Peter Walter einen Silberstreif am Horizont. „Die finanzielle Situation der meisten kreisangehörigen Kommunen hat sich bereits in diesem Jahr entspannt. Dieser „turn-around“ erreicht uns aber erst mit zweijähriger Verzögerung. Aber wir werden dennoch nicht die Hände in den Schoß legen, sondern unseren eingeschlagenen Weg der konsequenten Haushaltskonsolidierung fortsetzen. Seit einem Jahr wurde die Struktur der Kreisverwaltung umfangreich analysiert. Dazu haben wir einen externen Berater beauftragt. Daraus resultierende konkrete Maßnahmen fließen in das Haushaltskonsolidierungsprogramm 2007 ein. Jedoch können wir die ersten Projekte noch in diesem Jahr umsetzen. Darüber hinaus werden wir unsere Beteiligungen neu ordnen. Wir wollen damit eine höhere Effektivität erreichen.“

„Wir haben alle nur erdenkliche Möglichkeiten der Haushaltskonsolidierung ausgeschöpft“, erklären Landrat Peter Walter, die Erste Kreisbeigeordnete Claudia Jäger und der Kreisbeigeordneter Carsten Müller abschließend. „Nichtsdestotrotz konnten wir den „Breakeven“ nicht schaffen, weil uns die Hände besonders im Bereich der Sozialausgaben gebunden sind. Trotz dieser Schwierigkeiten werden wir weiterhin unseren eingeschlagenen Weg der Haushaltskonsolidierung konsequent fortsetzen. Wo immer es möglich ist, werden wir uns auf unsere Kernkompetenzen zurückziehen und Aufgaben an private Partner, die über mehr Know-how in verschiedenen Bereichen verfügen, übertragen.“