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08.02.2005

Gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen bestimmen auch den Kreishaushalt 2005

Die nach wie vor unverändert schlechte Lage der Konjunktur mit marginalen Wachstumsraten und stetig steigender Arbeitslosigkeit schlägt sich auch im Jahr 2005 unmittelbar in der Finanzsituation des Kreises nieder. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen bei der Arbeitsagentur ist im Kreis Offenbach von Dezember 2003 bis Dezember 2004 von 3.951 auf 4.761 Menschen, also um 20,5 Prozent gestiegen, zusammen mit den etwa 4.700 ehemaligen Sozialhilfeempfängern im Kreis entspricht das annähernd der Gesamteinwohnerzahl einer Kommune wie Egelsbach. Das Defizit des Verwaltungshaushaltes beziffert sich auf 39,6 Millionen Euro. Insgesamt sind Einnahmen in einer Größenordnung von 367,62 Millionen Euro kalkuliert, dem stehen Ausgaben in einer Größenordnung von 407,26 Millionen Euro gegenüber.

„Der Blick in die Nachbarschaft zeigt“, führt Landrat Peter Walter aus, „dass wir uns in zahlreicher und guter Gesellschaft befinden. 42 Millionen Euro voraussichtliches Defizit im Kreis Bergstraße, 39 Millionen Euro im Kreis Darmstadt-Dieburg, 46 Millionen Euro im Main-Kinzig-Kreis, 45,9 Millionen Euro im Wetteraukreis, über 30,6 Millionen Euro im Rheingau-Taunus-Kreis – diese Summen bestärken in der Ansicht, dass es kaum mehr eine tragfähige Grundlage für die kommunale Finanzausstattung in Hessen gibt. Unser Bundesland liegt im Ländervergleich beim Schuldenstand mit gut über 600 Euro Pro-Kopf-Verschuldung an der Spitze, es nimmt Platz zwei bei der Summe der Haushaltsfehlbeträge pro Kreis ein und es hat den durchschnittlich zweithöchsten Kreisumlagehebesatz mit 51,14 Punkten hinter Niedersachsen mit 53,34 Punkten. Darum bereitet der Hessische Landkreistag auch eine entsprechende Klage gegen das Land Hessen vor.“

Wie schlecht es um die Einnahmesituation des Kreises bestellt ist, wird an zwei Vergleichszahlen deutlich. Im Jahr 2002, als der Haushalt zum letzten Mal ausgeglichen vorgelegt und ausgeglichen abgeschlossen werden konnte, gab es aus dem kommunalen Finanzausgleich Mittel in Höhe von 177,15 Millionen Euro, bei einer Kreisumlage von 43 Prozentpunkten. Im Jahr 2005 werden mit 172,41 Millionen Euro 4,74 Millionen Euro weniger erwartet, obwohl die Kreisumlage auf 47 angehoben wurde. Demgegenüber sind allein die Ausgaben für die Umlage des Landeswohlfahrtsverbandes im gleichen Zeitraum um 7,6 Millionen Euro gestiegen.

„Der Fehlbetrag fiele noch ganz anders aus“, so der Verwaltungschef weiter, „wenn der Kreis nicht selbst seine Handlungsspielräume genutzt hätte. Statt nach dem Rasenmäherprinzip zu verfahren, haben wir entscheidende strukturelle Veränderungen eingeleitet. Wichtigstes Ziel dabei - so lautet auch die Leitlinie des Konsolidierungsprogramms: Der Kreis zieht sich zunehmend aus allen nicht eindeutig als hoheitlich zu definierenden Tätigkeitsfeldern zurück und überträgt diese auf andere Leistungserbringer oder nutzt eigene  privatwirtschaftlich arbeitende Strukturen. Er selbst behält nur noch die Finanzverantwortung, die Kontroll- und die Steuerungsfunktion.“

Eine der zwei wesentlichen strukturell innovativen Entscheidungen war das Ja zur Übernahme der Option im Rahmen von Hartz IV. „Wir haben nachdrücklich für dieses Modell votiert“, erklärt Peter Walter, „weil die Mittelverwendung nur dann von uns gesteuert werden kann, wenn wir die Fäden in der Hand halten.“ Das Gesamtvolumen des Einzelplans 4, Soziales, beträgt unter Berücksichtigung der neuen Gesetzeslage im Einnahmenbereich 147,95 Millionen Euro (Vorjahr 38,43 Millionen Euro), dem stehen Ausgaben in einer Größenordnung von 229,76 Millionen Euro (Vorjahr 110,62 Millionen Euro) gegenüber. 115,09 Millionen Euro fließen in diesem Jahr vom Bund in die Kodas des Kreises statt in die Kassen der Arbeitsagenturen.

„Wenn wir vor Ort unsere Kontakte zu Unternehmen, die wir über aktive Wirtschaftsförderung seit Jahren konsequent pflegen, nutzen“, so der Landrat, „ist dies eine echte Chance, effizient in die Arbeitsvermittlung einzusteigen. Davon profitieren sowohl die betroffenen Menschen als auch die öffentlichen Haushalte.“ Die Eigensteuerung der Sozialkosten ist auch deshalb notwendig, weil den Kommunen die Kosten der Unterkunft für alle Empfänger von Arbeitslosengeld II aufgebürdet werden. Im Kreis Offenbach fallen alleine auf diesen Haushaltsstellen 37,9 Millionen Euro an. Davon werden 29,1 Prozent erstattet. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Zahl der Empfänger des neuen Arbeitslosengeldes II voraussichtlich 10 bis 15 Prozent höher ausfällt, als angenommen, wie die hessische Sozialministerin Silke Lautenschläger vor wenigen Tagen feststellte. Für den Kreis bedeutet dies nochmals eine Mehrbelastung, der er nur erfolgreich entgegentreten kann, wenn er wenigstens in diesem Bereich selbst handlungsfähig ist. Die Aufwendungen wie beispielsweise für die LWV-Umlage in einer Größenordnung von 49,83 Millionen Euro, (angenommener Hebesatz 16,7 Prozent, im Vorjahr 14,99 Prozent) sind vom Kreis nicht aktiv zu beeinflussen. Wenn das Bundessozialministerium feststellt, dass von 1998 bis 2003 die Sozialausgaben um etwa 15 Prozent gestiegen sind und 2003 bereits 32,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen haben, mit steigender Tendenz, wird deutlich, wie sich die Handlungsspielräume der Kommunen vermindern.

Die zweite gravierende strukturelle und innovative Entscheidung ist das Ja zu PPP. „Schule und Bildung gehören zu den Kernbereichen, die wir im Haushaltskonsolidierungsprogramm 2004 festgeschrieben haben“, erläutert der Landrat, „mit Blick auf allseits bekannte Studien, ich nenne hier nur PISA, eine dringende Notwendigkeit. Diese Prioritätensetzung ist dafür verantwortlich, dass im Haushaltsansatz Schulen (Einzelplan 2) Mehrausgaben von rund 11,4 Millionen Euro eingeplant werden. (2004: 33,18 Millionen Euro, 2005:  44,59 Millionen Euro) Sie ist ebenfalls die Ursache dafür, dass sich das Volumen des Vermögenshaushaltes von 51,6 Millionen Euro in 2004 auf 68,3 Millionen Euro erhöht. Diese „zusätzlichen Belastungen“ nehmen wir aber bewusst in Kauf denn:

    1. damit schaffen wir in fünf Jahren ein angemessenes Bildungsumfeld,
    2. damit investieren wir in unser eigenes Immobilienvermögen,
    3. damit erhalten wir für die kommenden 15 Jahre Planungssicherheit in den Haushalten,
    4. damit stellen wir günstige Investitionskosten sicher, denn alle aufgeschobenen Bauvorhaben waren später realisiert immer viel kostspieliger,
    5. damit sichern und schaffen wir Arbeitsplätze bei der regionalen Wirtschaft und 6. damit entlasten wir andere Haushaltsstellen.“

Am deutlichsten sichtbar werden die Ergebnisse dieser beiden strategisch bedeutenden Entscheidungen im Personalhaushalt. Die Reduzierung unseres Stellenplanes von 910 auf 792 Stellen, durch die Personalüberführung in die beiden PPP-Projektgesellschaften bedeutet eine Rückführung der Personalkosten von 45,4 Millionen Euro im Jahr 2004 auf 41,3 Millionen Euro. Darüber hinaus werden weitere 4,8 Millionen Euro Personalausgabenerstattung aus Hartz IV erwartet, so dass der Kreis selbst nur noch Personalkosten in Höhe von 36,23 Millionen Euro zu schultern haben wird, eine Kostenreduzierung von etwa 20 Prozent.

Die konsequente Umsetzung des Haushaltskonsolidierungsprogramms zeigt sich auch in anderen Ansätzen. Der Haushaltsansatz Allgemeine Verwaltung verringert sich um 1,3 Millionen Euro, der Haushaltsansatz Öffentliche Sicherheit und Ordnung um eine Million Euro, der Haushaltsansatz Wissenschaft, Forschung und Kulturpflege um 0,3 Million Euro und der Haushaltsansatz für Gesundheit, Sport und Erholung um 1,8 Million Euro. Der Schuldenstand des Kreises wird sich bis Endes des Jahres auf 288,3 Million Euro belaufen, damit beträgt die Nettoneuverschuldung 40,9 Million Euro. Für Zins und Tilgung müssen insgesamt 20,6 Million Euro aufgebracht werden.

Das Haushaltskonsolidierungsprogramm enthält weitere mittel- und langfristige Projektansätze, die sich derzeit allerdings noch nicht in Euro und Cent niederschlagen. So wird beispielsweise die Ausrichtung auf Bildungsangebote im Rahmen der Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe dazu führen, dass hier ab 2006 mit einer Kostenerstattung durch den Bund zu rechnen ist. Weitere Kostenvorteile werden von der Einrichtung jeweils einer zentralen Fallsteuerung für den Bereich Jugend sowie aus der Neuorganisation in der Hilfe- und Beratungsstruktur für Betroffene erwartet. Der Aufbau eines Forderungsmanagements, die Kommunalisierung der Staatlichen Abteilung und den daraus resultierenden Synergieeffekten bei begleitender Umstrukturierungen sowie die konsequente Optimierung von Geschäftsprozessen werden zu weiteren Einspareffekten führen.

„Auch wenn wir seit Jahren mit Nachdruck unsere Haushaltskonsolidierung betreiben“, beurteilt der Landrat die Ist-Situation, „reichen die durchaus vorzeigbaren Ergebnisse nicht, um kommunale Haushalte auszugleichen. Rund 14 Million Euro weniger Einnahmen im kommunalen Finanzausgleich, rund 12 Million Euro Mehrausgaben im Bereich Soziales beim Kreis Offenbach im Zeitvergleich der letzten drei Jahre, sind Beträge, die weder von uns verursacht sind, noch von uns über Sparen oder Kreisumlagenerhöhung kompensiert werden können. Die Wurzel des Übels liegt im derzeitigen System des kommunalen Finanzausgleichs, der weder bedarfs- noch aufgabenorientiert ist, wie es auch die kommunalen Spitzenverbände feststellen, und es trifft mittlerweile alle hessischen Kreise. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und werden sie auch künftig im Sinne der Haushaltskonsolidierung erledigen. Ohne grundsätzliche struktur- und ordnungspolitische Entscheidungen von Bundesebene wird es aber nicht möglich sein, den turn around bei den kommunalen Finanzen erfolgreich einzuleiten.“