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05.09.2005

Kreishaushalt im Nachtrag ein Spiegel der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen

Das Defizit im Haushalt 2005 des Kreises Offenbach wird sich um 9,8 Millionen Euro erhöhen. Insgesamt stehen im Verwaltungshaushalt aktuell Ausgaben von 397,9 Millionen Euro (Ansatz 2005: 406,6 Millionen Euro) Einnahmen in einer Größenordnung von 348,8 Millionen Euro (Ansatz 2005: 367,3 Millionen Euro) gegenüber. Damit beträgt das Gesamtdefizit 49,1 Millionen Euro. Der Vermögenshaushalt beziffert sich auf 69,7 Millionen Euro. „Diese Entwicklung trifft uns nicht unerwartet“, kommentiert Landrat Peter Walter den notwendig gewordenen Nachtragshaushalt, „bereits bei der Aufstellung des Etats 2005 war allen Beteiligten bewußt, dass die zahlreichen Veränderungen vor allem im Sozialetat erst im Verlauf des Haushaltsjahres realistisch zu kalkulieren sind.“

„Außerdem zeigt der Blick ins Land“, so der Verwaltungsvorstand weiter, „dass sich die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen nach wie vor nicht signifikant verändert haben. Stagnierende Wachstumsraten, die unverändert schlechten Arbeitsmarktzahlen, das niedrige Steueraufkommen und nicht zuletzt die überproportional stark steigenden Energiekosten bestimmen die Entwicklung der öffentlichen Haushalte in erheblichem Umfang. Darauf haben wir kaum Einfluss, auch wenn wie uns mit systematischer Haushaltskonsolidierung und konsequenten Einsparkonzepten gegen diesen Trend stemmen. Wenn der Landesrechnungshof unserem Haushalt auf Basis der Zahlen von 2003 ein mögliches Einsparpotential von elf Millionen. Euro konzediert und wir selbst im Rahmen unseres aktuellen Konsolidierungsprogramms von annähernd 16 Millionen Euro ausgehen wird deutlich, dass das bestehende Haushaltsloch damit nicht zu stopfen ist. Ohne strukturelle Veränderungen kann eine Trendwende hin zu soliden kommunalen Finanzen nicht erfolgen.“

Die Senkung der Ausgaben um etwa 8,7 Millionen Euro hat zwei Ursachen: Zum einen sind im Sozialbereich Aufwendungen nicht angefallen, für die allerdings auch keine Einnahmen geltend gemacht werden können, zum anderen greift bereits die Haushaltskonsolidierung. Zum Stichtag 31. Juli 2005 konnte der Kreis dem Regierungspräsidium melden, dass Einsparmaßnahmen in einer Größenordnung von etwa 4,7 Millionen Euro umgesetzt sind. Davon waren 1,34 Millionen Euro haushaltsrelevant. Allein die Umstrukturierung des Bauhofs schlägt mit 220.000 Euro zu Buche, die Neuorganisation der Hilfe- und Beratungsstruktur sowie die Überführung der Aufgaben des Jugendbildungswerkes in den Fachdienst Bildung erbrachten 373.000 Euro, das Kreditportofoliomanagement erwirtschaftete 300.000 Euro und aus der Einführung des Vertragscontrollings wurden bereits 44.000 Euro erwirtschaftet. Die Neuverhandlungen über die Außenstellen im Kfz-Zulassungsbereich führten zu Einsparungen von 80.000 Euro. Nur mit 170.000 Euro haushaltswirksam wird die Einrichtung der virtuellen Schule für Erziehungshilfe, die, in anderer Form realisiert, allein mit 3,3 Millionen Euro zu Buche geschlagen hätte.

Gelungen ist auch die Stabilisierung des Personalkostenansatzes mit einem Gesamtvolumen von 42,3 Millionen Euro (Ansatz 2005: 41,4 Millionen Euro). Insgesamt wurden hier Einspareffekt von 230.000 Euro erzielt, davon allerdings nur 44.000 Euro haushaltswirksam, der Rest resultiert aus Streichungen von Vergünstigungen wie beispielsweise der freie Nachmittag an Fasching. Der Anstieg von knapp einer Millionen Euro resultiert aus der Übernahme der Staatlichen Abteilung in die kommunale Trägerschaft. Diese Kosten werden aber vom Land erstattet. Das Konzept bis Ende 2005 96 Planstellen im Zuge der Option in entsprechendem Umfang über Bundesmittel zu refinanzieren oder im Zuge der Umstrukturierung zu streichen ist fast vollständig realisiert. 72,5 Planstellen wurden in die Kodas überführt, weitere 14 wurden gestrichen, bereits zehn Planstellen sind mit einem Kann-Wegfallen-Vermerk versehen, der im Stellenplan 2006 wirksam wird. „Damit haben wir allerdings in unserem Haus“, führt der Landrat aus, „so gut wie alle vorhandenen Möglichkeiten ausgeschöpft und jeder weitere Stellenabbau in der bestehenden Organisation bedeutet definitiv eine spürbare Minderung des Leistungsangebotes.“

Der größte Teil der finanziellen Mehraufwendungen resultiert aus dem Sozialetat, etwa 7,4 Millionen Euro. „Bei der Aufstellung des Haushaltsplanes“, führt Sozialdezernent Carsten Müller aus, „ging der Kreis davon aus, dass die Kosten der Unterkunft, die nach der neuen Gesetzeslage von den Kommunen zu tragen sind, für 7.630 Bedarfsgemeinschaften anfallen. Diese Zahl wurde vom BMWA als Kalkulationsgrundlage mitgeteilt. Entsprechend wurden 36,6 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt. Diese Zahl hat sich dann in der Realität sehr schnell überholt. Tatsächlich haben etwa 11.500 Bedarfsgemeinschaften im Rahmen von Harz IV Anträge gestellt, so dass der Ansatz nun auf 44 Millionen Euro zu beziffern ist. Diesen zusätzlichen Mittelbedarf haben wir nicht zu verantworten, denn auch auf Bundesebene zeigt sich, dass der ursprünglich kalkulierte Finanzbedarf für die Umsetzung von Hartz IV erheblich zu niedrig ausgefallen ist. Die Entscheidung für die Option erweist sich dennoch als richtig, denn mittlerweile konnte der Kreis (Stand 1. September 2005) 813 Menschen in den ersten Arbeitsmarkt, in Ausbildungsstellen oder Praktika vermitteln, 957 Menschen nutzen Arbeitsgelegenheiten oder Qualifikationsmaßnahmen.“

Die Umsetzung der neuen Sozialgesetze hat aber noch eine weitere kostenrelevante Komponente. Personen mit einem humanitären Aufenthaltsanspruch hatten bis Ende des Jahres 2004 Ansprüche nach dem Bundessozialhilfegesetz. Nach dem neuen Zuwanderungsgesetz fallen sie in den Geltungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes. Darum musste auch dieser Ansatz, der ursprünglich auf 650.000 Euro kalkuliert war nach oben korrigiert werden. Der Ansatz wurde auf 2,5 Millionen Euro erhöht, weil bereits bis zum jetzigen Zeitpunkt 140 Fälle zusätzlich unter diese Regelung fallen, mit einem Anstieg ist zu rechnen.

Eine weitere Kostenbelastung, die in dieser Form unvorhersehbar war, ist die überproportional starke Steigerung der Preise auf dem Energiesektor. Wurden 1999 allein für Wärmekosten 947.900 Euro aufgewendet, waren dies 2004 bereits 1,4 Millionen Euro, bei annähernd konstantem Verbrauch. Der Anteil an Ökosteuer stieg im gleichen Zeitraum von 61.250 Euro auf 184.500 Euro. „Mittlerweile ist jeder Privathaushalt spürbar von dieser Entwicklung betroffen,“ erklärt die Erste Kreisbeigeordnete Claudia Jäger, „sei es beim Griff zur Zapfsäule oder bei der Jahresabrechnung der Stromanbieter. Dieser Preissprung betrifft den Kreis mit seinen 90 Schulen und den dazugehörigen 450 Gebäuden besonders hart. Hieraus erwachsen im laufenden Haushaltsjahr zusätzliche Ausgaben in einer Größenordnung von zwei Millionen Euro, eine Summe die möglicherweise noch erheblich höher ausfiele, wenn nicht eine ganze Reihe von Schulen über PPP mittlerweile über hochmoderne Heizgeräte und neue Isolierungen verfügen würde.“ „Das PPP-Modell,“ ergänzt der Landrat, „hat unsere Kasse mittlerweile um insgesamt 4,86 Millionen Euro entlastet, dazu kommen die so genannten Mitnahmeeffekte im Personalhaushalt, in dem wir zusätzlich auf 8,5 Stellen verzichten konnten.“

Allein diese ausgewählten Bereiche machen deutlich, dass die derzeitige Lage der Kommunen dramatisch ist. Der Kreis Offenbach steht mit dieser Problematik aber nicht alleine. Dies lässt sich anhand einer anderen Zahl gut untermauern. Hessenweit wurden im Jahr 2005 die jahresbezogenen Fehlbedarfe mit circa 530 Millionen Euro veranschlagt und sind damit noch stärker gestiegen als im Jahr zuvor, in dem bereits eine Deckungslücke von etwa 420 Millionen Euro erreicht wurde. Die tatsächlich aufgelaufenen Rechnungsfehlbeträge zum 31. Dezember 2004 von circa 698 Millionen Euro und der jahresbezogene Fehlbedarf 2005 lassen das kumulierte Haushaltsdefizit zum 31. Dezember 2005 auf 1.228.432.000 Euro sprunghaft ansteigen. Während der Vergleichswert des Vorjahres bereits bei 762,4 Millionen Euro lag, wird in diesem Jahr erstmals die Milliardengrenze deutlich überschritten. Wie schlecht die wirtschaftliche Situation tatsächlich ist, wird ebenfalls auch auf der Einnahmeseite des Kreishaushaltes deutlich. Gab es im Jahr 2002, als der Haushalt zum letzten Mal ausgeglichen vorgelegt werden konnte, aus dem kommunalen Finanzausgleich bei einer Kreisumlagenquote von 43 Prozent noch 177,2 Millionen Euro werden in diesem Jahr 2005 trotz einer Anhebung um vier Punkte nur 172,4 Millionen Euro erwartet, dies sind 4,74 Millionen Euro weniger als vor drei Jahren.

„Natürlich ist nachvollziehbar“, erklärt der Landrat, „dass die Kommunen über die Umlagenerhöhung nicht glücklich sind, denn damit werden auch ihre Finanzspielräume überstrapaziert. Fakt ist allerdings auch, dass fast alle Kommunen mehr Leistungen vom Kreis empfangen, als sie tatsächlich bezahlen. Ich möchte hier nur einige Beispiele nennen. Wenn eine Kommune, wie die Kreisstadt Dietzenbach 13,8 Millionen Euro an Kreis- und Schulumlage zahlt, erhält sie im Gegenzug jedoch rund 33,5 Millionen Euro Transferleistungen aus unserem Haus. Für Rodgau ergibt sich ein positiver Saldo von 14 Millionen Euro, für Mainhausen ein Saldo von knapp drei Millionen Euro. Insgesamt beläuft sich der Transferüberschuss der Städte und Gemeinden auf etwa 113 Millionen Euro. Einzige Hoffnung für eine bessere Finanzlage der Kommunen ist die Klage, die derzeit der Hessische Landkreistag vorbereitet. Der Staatsgerichtshof soll die Einschätzung bewerten, ob Bund und Land den Kommunen Aufgaben aufbürden dürfen, ohne dafür einen finanziellen Ausgleich zu erhalten. Berufen wird sich dabei auf den Artikel 137 Absatz 5 der Hessischen Verfassung sowie auf das Konnexprinzip des Landes.“

„Der Kreis Offenbach hat in den vergangen Jahren alles daran gesetzt“, so der Verwaltungsvorstand abschließend, „die Weichen für solide Kreisfinanzen zu stellen. Dazu gehören neben der Privatisierung der Kreiskliniken, den Umzug in ein neues Kreishaus und der Veräußerung der EVO Anteile auch die Public-Privat-Partnership-Projekte. Ohne diese strategisch vorbildlichen Entscheidungen wäre das Loch im Kreishalt noch erheblich größer. Diesen Weg, der auch künftig konsequent fortgesetzt wird, können wir aber nicht beliebig weiter gehen, denn solange die Kostenblöcke wachsen, die von uns nicht zu beeinflussen sind, rückt das Ziel von stabilen öffentlichen Haushalten in immer weitere Ferne. Ohne Neustrukturierung bestehender Verfahren, konsequenten Bürokratieabbau und einer Trendwende zu konsequentem Wirtschaftswachstum wird uns nichts anderes übrig bleiben, als Jahr für Jahr rote Zahlen zu bilanzieren, die last but not least eine Hypothek für alle nachfolgenden Generationen bedeuten.“