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10.06.2005

Sozialdezernent Carsten Müller 100 Tage im Amt

Am 1. März 2005 hat Carsten Müller sein Dienstzimmer in der Kreisverwaltung Offenbach bezogen. Der hauptamtliche Kreisbeigeordnete ist seitdem zuständig für den Fachbereich III. Dazu gehören der Fachdienst Arbeit, Jugend und Soziales, die Leitstelle Älterwerden sowie das gemeinsame Ausgleichsamt Stadt und Kreis Offenbach. Die ersten 100 Tage hat er nicht nur genutzt, um sich hausintern mit seinem umfangreichen Aufgabenfeld vertraut zu machen. Er ist auch im Kreisgebiet unterwegs gewesen, um sich bei unterschiedlichen sozialen Einrichtungen vor Ort ein Bild davon zu machen, wie das bestehende soziale Netzwerk im Detail funktioniert. Weitere Besuche werden folgen.

„Mein erster Eindruck ist“, erklärt er im Rahmen eines Pressegespräches, „dass sich die soziale Infrastruktur im Kreis nicht nur am Bedarf orientiert, sondern die Angebote auch relativ nahtlos ineinander greifen. Beeindruckend ist in vielen Bereichen das ehrenamtliche Engagement, das erheblich dazu beiträgt, die Tragfähigkeit bestehender Strukturen zu erhalten.“

Dies ist auch eines der wichtigen Ziele, das sich der neue Beigeordnete auf die Fahnen geschrieben hat. „Im Zeitalter knapper Kassen“, führt er aus, „sind wir darauf angewiesen, die Kooperation mit freien Trägern und mit anderen sozialen Institutionen so auszurichten, dass die Balance zwischen Quantität und Qualität erhalten bleibt. Über das Controlling werden bestehende Verträge auf den Prüfstand gestellt und, wie jüngst das Übereinkommen mit der Behindertenhilfe, so gefasst, dass die Kosten mit Blick auf die kommenden Haushalte kalkulierbar bleiben. Diesen Ansatz, der schon von meiner Vorgängerin mitgetragen wurde, werde auch ich konsequent weiter verfolgen.“

Ein entscheidender Schritt auf diesem Weg ist die Einrichtung von drei Beratungszentren, in denen bestimmte Hilfeleistungen, wie beispielsweise Sucht-, Schuldner- und Familienberatung, dazu gehört auch die Erziehungsberatung, neu strukturiert unter einem Dach angeboten werden. Mit dem Zentrum Mitte in Dietzenbach, das zum 1. Juli 2005 unter Federführung des Diakonischen Werkes seine Pforten in der Messenhäuser Straße öffnet, etabliert sich die erste Einrichtung, zwei weitere in West und Ost werden folgen. Ziel der Beratungszentren ist es unter anderem auch betroffene Menschen fit für den ersten Arbeitsmarkt zu machen.

„Ein weiterer wichtiger Knoten im sozialen Netz ist die Seniorenarbeit“, erklärt Carsten Müller, „denn uns allen ist mittlerweile bewusst, dass der demographische Wandel dazu verpflichtet, sich mit dieser stetig wachsenden Bevölkerungsgruppe und deren Bedürfnissen intensiv auseinanderzusetzen und das Spektrum der Altenarbeit auszuweiten. Es wird nicht ausreichen, dass weitere Alten- und Pflegeheime oder Betreute Wohnanlagen gebaut werden, vielmehr werden Vernetzung, Selbsthilfe, Stadtteilentwicklung und Bürgerbeteiligung immer wichtigere Rollen spielen. Wir brauchen eine inhaltliche Erweiterung der Seniorenarbeit, und zwar zum Beispiel in Richtung von quartierbezogenen Wohn- und Lebenskonzepten, die wir in unserer gemeinsamen Auftaktveranstaltung mit der Stadt Dreieich am 01. Juni vorgestellt haben. Diese und die Projektarbeit sollen genau dokumentiert werden, damit andere Kommunen es leichter haben, wenn sie ähnliches entwickeln wollen.“

„Bald wird das erste gemeinschaftliche Wohnprojekt von Älteren im Kreis Offenbach realisiert“, freut sich der Sozialdezernent. „Wir dürfen aber nicht vergessen, dass nicht alle Menschen den dritten Lebensabschnitt gesund genießen können. Es ist derzeit davon auszugehen, dass in der Altersgruppe der über 65-jährigen circa fünf bis acht Prozent an einer mittelschweren bis schweren Demenz erkranken. Viele Angehörige, die bereit sind, den Betroffenen Hilfe im häuslichen Umfeld zukommen zu lassen, brauchen unsere Unterstützung. Darum haben wir die Möglichkeit des neuen Pflegeergänzungsgesetzes genutzt und erste Betreuungsgruppen auf Kreisebene gefördert. Mit unserem Qualifizierungsprojekt „Aktives Zuhören im Umgang mit demenzkranken Menschen“ schulen wir Pflegekräfte. Der neue Seniorenratgeber, der ab sofort bei uns im Kreishaus zu erhalten ist, gibt Aufschluss über viele wichtige Themen, die das Älterwerden betreffen und nennt die zahlreichen Ansprechpartner im Kreis, die sich kompetent mit dieser Thematik auseinandersetzen.“

Darüber hinaus arbeiten zahlreiche Menschen fundiert und engagiert in Netzwerken der Seniorenarbeit im Kreis Offenbach unter der Federführung der Leitstelle Älterwerden: „Netzwerk Pflege“ und dem „Arbeitskreis Beratung und Koordination in der Altenarbeit“, „Demenz“ und „Alter und Migration.“ Derzeit ist eine Studie in Druckvorbereitung, die sich intensiv mit den Zusammenhängen zwischen Alter und Migration beschäftigt.

„Im Mittelpunkt meines neuen Tätigkeitsbereiches“, so Carsten Müller, „steht allerdings das Thema „Arbeitsmarkt und Beschäftigung“ für alle betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Ein wichtiges Ziel der neuen Arbeits- und Sozialgesetzgebung ist die Schaffung besserer Berufschancen für junge Leute unter 25 Jahre. Eine Studie der TU Darmstadt, die im vergangenen Monat von Prof. Dr. Angela Paul-Kohlhoff und Dr. Uta Zybell im Rahmen der BerufsWegeBegleitung fertig gestellt worden ist, zeigt, dass am Ende des laufenden Schuljahres 190 Schülerinnen und Schüler (9,3 Prozent) die Schulen ohne Hauptschulabschluss verlassen werden, weitere 415 Jugendliche mit dem einfachen Hauptschulabschluss. Diese Quoten decken sich mit den Ergebnissen des Jahres 2004. Im März des Jahres 2005 hatten erst 11,7 Prozent der Schulabgängerinnen und -abgänger der Allgemeinbildenden Schulen (Hauptschule, Realschule) die Zusage für eine Lehrstelle, so dass sehr schnell deutlich wird, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht. Über die Ausbildungsforen und verschiedene Maßnahmen der BerufsWegeBegleitung ist es zwar in den vergangenen Jahren immer wieder gelungen, zusätzliche Ausbildungsplätze zu akquirieren, die aktuellen Zahlen der Arbeitsmarktstatistik weisen allerdings darauf hin, dass hier dringend Handlungsbedarf gegeben ist. Mit Projekten, wie beispielsweise LOS, den Qualifizierungsprogrammen des IB oder anderer Träger, werden Alternativen geschaffen, um junge Menschen zu qualifizieren. Es ist dringend erforderlich, auf den Übergang von Schule in den Beruf besser und intensiver vorzubereiten sowie niedrigschwellige Angebote zu entwickeln, die Jugendlichen den Weg in das Arbeitsleben erleichtern. Im Rahmen von Hartz IV haben wir 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich ausschließlich auf diese Aufgabe konzentrieren und zusammen mit Einrichtungen, wie beispielsweise dem Internationalen Bund, Perspektiven für diese Gruppe eröffnen.“

„Trotz aller - teilweise sicherlich auch berechtigten - Kritik an dem Hartz IV-Modell“, so der Kreisbeigeordnete, „haben wir die Umstrukturierung relativ gut bewältigt. Es ist keine Frage, dass die Organisation des neuen Aufgabenfeldes erheblich mehr Zeit in Anspruch genommen hat, als ursprünglich geplant. Fakt ist allerdings auch, dass die Basiskalkulation vor allem bezogen auf die Personalressource nicht aufgegangen ist. Statt der prognostizierten 7.600 ALG-II-Empfänger, diese waren Berechnungsgrundlage seitens der Bundesagentur für Arbeit, sind beim Kreis Offenbach mittlerweile fast 11.000 ALG-II-Hilfeempfänger registriert. Dies hat zur Folge, dass wir das Fallmanagement bis Oktober noch-mals um etwa 50 Personen aufstocken werden, um die vom Bund geforderten Quoten in der Vermittlung halten zu können. Im Sommer werden sich insgesamt rund 200 Mitarbeiter um Hartz IV kümmern. Die nötigen Stellenausschreibungen und Bewerbungsgespräche laufen. Darüber hinaus beginnt der Maßnahmenkatalog des Kreises langsam zu greifen. Schon jetzt sind wir auf einem guten Weg. 120 Arbeitslose haben wir bereits im ersten Quartal in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt. Zudem haben wir 400 Arbeitsgelegenheiten akquiriert und Jugendliche gezielt in effiziente Weiterbildungsangebote beim Wurzelwerk oder beim Internationalen Bund mit angegliedertem Praktikum eingesteuert. Erste Rückmeldungen ergeben, dass einige der jungen Menschen schon feste Ausbildungsplätze zugesagt bekommen haben. Alle haben mitgezogen, es gibt so gut wie keine Abbrecher.“ Diese ersten Erfolge, erklärt Müller, werde man weiter ausbauen und kontinuierlich steigern. So seien in den letzten zwei Wochen rund 90 Menschen in Arbeitsgelegenheiten, den ersten Arbeitsmarkt, Weiterbildungsmaßnahmen, Praktika oder Ausbildung vermittelt worden.

Dies macht deutlich, so Müller, dass die passgenaue Besetzung, der richtige Weg sei. Wir achten darauf, dass die jeweilige Maßnahme zu dem Hilfeempfänger passt. Das braucht seine Zeit, doch es gibt keine Alternative. Würden wir wahllos Menschen in unsere Maßnahmen vermitteln, nur um der Statistik genüge zu tun, wäre keinem genutzt - weder dem Träger, noch dem Kreis und am allerwenigsten den Hilfeempfängern. Die passgenaue Vermittlung sei der Schlüssel zum Erfolg, betont der Kreisbeigeordnete.  „Erst einmal wollen wir dafür sorgen, dass die Leute qualifiziert sind, bevor wir sie irgendwo hin schicken. Und sie müssen arbeitswillig oder lernwillig sein. Wir achten zudem darauf, dass eine Weiterbildung auch wirklich Sinn macht. Und nicht wie früher bei der Bundesanstalt für Arbeit, die Leute in Deutschkurse geschickt hat, die die Sprache perfekt beherrschen.“

Man brauche für die erfolgreiche Vermittlung vor allem als Optionskommune die Bereitschaft der Firmen und Unternehmen, Menschen eine Chance zu geben, erläutert der Kreisbeigeordnete. Dies gehe nur über Vertrauen. „Die Arbeitgeber, denen wir Arbeitslose schicken, müssen zufrieden sein, mit den Leuten, die von uns kommen“, so Müller. „Einmal daneben gegriffen und die betroffene Firma macht die Klappe wieder zu. Und eine große Chance ist vertan.“

Darüber hinaus haben wir es möglich gemacht, ein Arbeitsplatzförderungsprogramm aufzulegen, bei denen Arbeitgeber bis zu 700 Euro Lohnkostenzuschuss erhalten können. Rechtzeitig zum kommenden Ausbildungsjahr beschloss der Kreisausschuss Anfang der Woche, dass Betriebe unter bestimmten Voraussetzungen einen Ausbildungsplatzkostenzuschuss beantragen können, wenn sie mit einem jungen Bezieher von ALG-II einen Ausbildungsvertrag abschließen.

Müller macht gleichzeitig klar, dass das Prinzip des Förderns und Forderns richtig sei und im Kreis konsequent umgesetzt werde. „Wer unentschuldigt einer Maßnahme fernbleibt, muss mit Konsequenzen rechnen“, so der Sozialdezernent. „Wir nutzen die Möglichkeiten, die uns das Gesetz bietet vollständig aus: Das heißt, denjenigen, die nicht an einer Eingliederungsmaßnahme teilnehmen, werden die Leistungen bis zu 30 Prozent gekürzt. Außerdem haben wir Vertragsärzte verpflichtet, die die Arbeitsfähigkeit der ALG-II-Empfänger im Einzelfall überprüfen.“

Die Gründe für die gestiegenen Fallzahlen sind im Kreis Offenbach klar. „Ein Punkt ist bestimmt“, so Müller weiter, „dass im Arbeitsministerium die Konjunktur viel zu optimistisch eingeschätzt wurde, was zu falschen Berechnungen der Fallzahlen geführt hat. Ein weiterer ist das vermeintliche soziale Stigma, das bis zum Jahreswechsel manchen davon abgehalten hat, zum Sozialamt zu gehen. Dieses Hemmnis gibt es jetzt nicht mehr. Es gibt jedoch noch einen weiteren wichtigen Grund für den Anstieg der Fälle: Hartz IV lädt geradezu zum Missbrauch ein. Im Internet finden Hilfeempfänger Tipps, wie sie die Ämter übers Ohr hauen können. Wir schreiten hier konsequent ein. Jeder, der sich Hilfen erschleicht, muss mit scharfen Konsequenzen rechnen. Wir überprüfen alle Fälle.“

Mit dem Tagesmütterausbaugesetz wird es überdies gelingen, mehr Frauen die Möglichkeit zu geben, wieder aktiv am Berufsleben teilzuhaben. Vor dem Hintergrund der politischen Diskussion ist sicherlich damit zu rechnen, dass hier nochmals Veränderungen auf uns zukommen, die wir aber mit der bestehenden Struktur durchaus bewältigen können. Der lokale Dialog zwischen Kommunen und Unternehmen, der auf dieses Optionsmodell setzt, wird bei uns intensiv und mit messbarem Erfolg geführt werden. Wir sind sowohl mit der IHK als auch mit den Handwerkskammern im intensiven Gespräch.

„Auch wenn im Moment das Thema „Arbeitsmarkt“ dominiert“, erläutert Carsten Müller, „ist dies nur eine Ausprägung eines gesellschaftlichen Wandels, dem wir uns stellen müssen. Dazu gehört der Ausbau des Bildungssektors, der im Kreis Offenbach ganz oben auf der Prioritätenliste steht, denn nur bessere Bildung schafft für junge Leute die Chance, Ausbildungsplätze zu bekommen und nicht in das soziale Netz zu fallen. Ebenso zählt der Ausbau von ganztägigen Betreuungsangeboten, die Einrichtung flexibler Kindergärten und -tagesstätten sowie aktive Erziehungsberatung hierzu. Ein mindestens gleich wichtiger Faktor, der für Sozialpolitiker eine besondere Herausforderung darstellt, ist der demographische Wandel. Darum möchte ich gerne dazu beitragen, generationenübergreifende Modelle zu schaffen, sei es im Wohn- oder im Bildungsbereich. Auf der to-do-Liste steht deshalb auch der Einsatz für die Schaffung familienfreundlicher Angebote, denn ohne Kinder fehlt unserer Gesellschaft ein wichtiges Standbein für eine erfolgreiche Zukunft. Ich gehe davon aus, dass auch unter finanziellen Gesichtspunkten hier Nischen bestehen, die ich gerne erfolgreich besetzen möchte.“