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06.12.2005

Strukturelles Defizit unter die Lupe genommen

Im Rahmen der konsequenten Haushaltskonsolidierung bei der Kreisverwaltung Offenbach, ist in den letzten Wochen das strukturelle Defizit genauestens unter die Lupe genommen worden. „Um Haushaltskonsolidierung konsequent zu betreiben“, erklärt Landrat Peter Walter, „müssen wir in unserem Hause genau analysieren, wo Kosten entstehen und wodurch Kosten verursacht werden. Dabei hat sich die These bestätigt, dass wir als Kreis auf Grund gesetzlicher Vorgaben immer mehr Aufgaben von Bund und Land übernehmen müssen, ohne einen finanziellen Ausgleich dafür zu erhalten.“

Auf exakt 26.454.384 Euro beziffert sich im Jahr 2004 der Anteil am Gesamtfehlbetrag von etwa 33,3 Millionen Euro. „Damit beläuft sich das bereinigte Defizit im Kreishaushalt 2004 tatsächlich nur auf 6,8 Millionen Euro“, führen der Landrat und Sozialdezernent Carsten Müller aus, „hätten denn nicht Land und Bund in den vergangenen Jahren ihre Lasten, besonders in den Bereichen Gesundheit, Jugend und Soziales konsequent auf die Schultern von Kreisen und Kommunen geladen. Im Jahr 2005 beläuft sich die Summe der Mehrbelastungen ohne finanziellen Ausgleich voraussichtlich auf 38,8 Millionen Euro, so dass der bereinigte Fehlbedarf für dieses Jahr nur bei etwa 10,7 Millionen Euro liegen wird.“

62.000 Euro jährlich kostet beispielsweise die Umsetzung des neuen Infektionsschutzgesetzes, das im Januar 2001 in Kraft getreten ist. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Personal- und Arbeitsplatzkosten, denn für die zusätzlichen Überwachungsaufgaben müssen zusätzliche Ressourcen bereitgestellt werden. Personal- und Arbeitsplatzkosten in Höhe von 118.000 Euro pro Jahr müssen außerdem aufgebracht werden, um die zum 01. Januar 2003 in Kraft getretene Trinkwasserverordnung weisungsgemäß auszuführen. Um die Überwachung der Installationen in Gebäuden und Einrichtungen zu garantieren, die Wasser an die Öffentlichkeit abgeben, muss nicht nur viel Zeit aufgewendet werden, es sind auch besondere fachliche Voraussetzungen gefordert. Dies gilt auch für die Überwachung der Wasserversorgungsanlagen und deren etwa 150 im Kreisgebiet verteilten Brunnen. Diese Verantwortung wurde vom Bund an die Gesundheitsämter abgegeben.

Bereits zum 1. Januar 1994 ging im Zuge des neuen Jugendhilfelastenausgleichs die Zuständigkeit für die Leistungen der Hilfen zur Erziehung für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche sowie für junge Volljährige auf den Kreis über. Für die Leistungen mussten im Jahr 1994 5,7 Millionen Euro aufgebracht werden, im Haushaltsjahr 2004 sind es 16,7 Millionen Euro, eine Steigerung um etwa 194 Prozent.

Geändert wurde bereits zum 1. April 1993 die Verantwortlichkeit für die Eingliederungshilfe von seelisch behinderten Kindern und Jugendlichen, die seitdem als eigenständige Hilfeart ausgewiesen wurde. Damit wurde dieser Aufgabenbereich vom LWV ebenfalls an den Kreis Offenbach übertragen. Das schlägt im Rechnungsergebnis 2004 mit 1,8 Millionen Euro zu Buche.

Auch die Änderung des Landesaufnahmegesetzes für ausländische Flüchtlinge kostet den Kreis Jahr für Jahr zusätzlich Geld, da das Land Hessen die Mittel nicht mehr erstattet. Das kostet jährlich etwa 1,4 Millionen Euro. Die neuen Regelungen, die am 1. Januar 2002 für die Aufnahme und Unterbringung von Spätaussiedlern in Kraft traten, und dem Land die Möglichkeiten gab, seine Einrichtungen zu schließen, schlagen mit jährlich 900.000 Euro zu Buche. „Speziell in diesem Bereich wird deutlich“, so Landrat und Sozialdezernent weiter, „dass die Lösung, die bis Ende des Jahres 2001 kostendeckend war, jetzt aus der Kreiskasse zusätzlich finanziert werden muss.“

Nachdem die Veränderungen im Jugendhilferecht in den Jahren 1994 und Sozialhilferecht 1997 bis zum Jahr 2004 zu einer Senkung des Umlagehebesatzes des Landeswohlfahrtsverbandes geführt haben, hat sich die tatsächlich gezahlte Umlage dennoch innerhalb von zehn Jahren um etwa 2,5 Millionen Euro erhöht. Die zum Jahr 2005 durchgeführte Hebesatzsteigerung von 14,99 auf 16,37 Prozent hat dann zu Mehrausgaben in Höhe von weiteren 7,2 Millionen Euro geführt, gegenüber dem Jahr 1994.

Im Jahr 2005, dessen Rechnungsergebnis derzeit noch nicht vorliegt, greifen dann zwei weitere Gesetzesänderungen. Das neue Zuwanderungsgesetz, das zum 01. Januar 2005 in Kraft getreten ist, sieht vor, dass Fälle, die früher über das Bundessozialhilfegesetz abgewickelt wurden nun nach dem Asylbewerberleistungsgesetz behandelt werden und nicht durch das SGB II (neu) erfasst werden. Da diese Mittel nur pauschal vom Bund erstattet werden, resultiert daraus für den Kreis Offenbach eine weitere zusätzliche Belastung von etwa 1,9 Millionen Euro.

Nicht ohne spürbare finanzielle Folgen bleibt auch das Inkrafttreten von Hartz IV zum 01. Januar 2005, das mit voraussichtlich circa 3,4 Millionen Euro Mehraufwendungen für den Kreis verbunden ist. „Damit erreichen im Jahr 2005“, so Landrat Peter Walter abschließend, „die finanziellen Belastungen, die wir dem Bund und dem Land Hessen „verdanken“ fast 80 Prozent unseres Fehlbedarfs. Damit ist die Forderung des Hessischen Landkreistages einmal mehr sachlich untermauert, eine bessere finanzielle Ausstattung der Kreise und Kommunen für die Erfüllung ihrer Aufgaben zu fordern. Es kann und darf nicht sein, dass Bund und Land immer wieder Musik bestellen, die wir dann zu bezahlen haben. Wir haben keine Möglichkeit die Finanzlasten an andere weiter zu geben, können es aber auch ebenso wenig hinnehmen, dass die Kommunale Selbstverwaltung auf diesem Weg Stück für Stück untergraben wird!“