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12.08.2009

Wirtschaftsplan für 2010 spiegelt globale Finanzkrise wider - Defizit ist nicht selbst verursacht

Defizit ist nicht selbst verursacht

Der Wirtschaftsplan des Kreises Offenbach für das Jahr 2010 ist geprägt von der dramatischen Finanzlage, die alle öffentlichen Kassen betrifft. „Konnten wir 2009 ein respektables Ergebnis mit einem um 2,9 Millionen Euro verringerten Defizit (13,8 Millionen Euro) präsentieren“, erklären Landrat Peter Walter, Erste Kreisbeigeordnete Claudia Jäger und Kreisbeigeordneter Carsten Müller, „so beziffert sich das Defizit für 2010 aktuell auf 49,8 Millionen Euro; es ist das höchste Defizit, das wir je hatten und es bringt uns an den absoluten Rand der Handlungsfähigkeit.“ Den Erträgen in Höhe von 426,3 Millionen Euro (2009: 454,5 Millionen Euro) stehen Aufwendungen in einer Größenordnung von 476,2 Millionen Euro (2009: 468,4 Millionen Euro) gegenüber.

„Wir können uns derzeit nur in den Chor der Kämmerer einreihen“, so der Verwaltungsvorstand weiter, „die ausnahmslos feststellen, dass alle noch so konsequenten Konsolidierungsbemühungen - bei unserem Kreis seit 2005 eine haushaltsrelevante Konsolidierungssumme von 55,8 Millionen Euro - nicht annähernd genügen, um die wachsende Lücke zwischen Einnahmeverlusten und Ausgabesteigerungen auszugleichen. Mehr als 80 Prozent unseres Defizits resultieren dabei aus Bereichen, auf die der Kreis absolut keinen Einfluss nehmen kann!“

Im Einzelnen:

    1. Um 12,2 Millionen Euro auf 205,1 Mio. Euro sinken die Einnahmen aus der Kreis- und Schulumlage bei gleich bleibendem Hebesatz von 56 Prozent.
    2. Um 10,4 Millionen Euro werden die Schlüsselzuweisungen des Landes auf nur noch 18,3 Millionen Euro zurückgefahren.
    3. Um 5,5 Millionen Euro auf 9,5 Millionen Euro gehen die Erträge aus der vom Land zugewiesenen Grunderwerbssteuer zurück.
    4. Um 3,8 Millionen Euro auf 54,1 Millionen Euro steigt die Umlage für den Landeswohlfahrtsverband.
    5. Um 1,4 Millionen Euro auf 6,5 Millionen Euro erhöht sich die an das Land abzuführende Krankenhausumlage.
    6. Um 1,5 Millionen Euro auf 43,9 Millionen Euro steigen die Personalkosten aufgrund der Tarifverträge.
    7. Um 4,6 Millionen Euro auf 102,4 Millionen Euro wächst der Zuschussbedarf des Sozialetats.

Dies ergibt unter dem Strich schon einen Fehlbetrag von über 40 Millionen Euro.

Demgegenüber stehen 370.000 Euro, die bei den Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen zusätzlich gespart werden konnten, der Gesamtansatz beläuft sich auf 91,3 Millionen Euro. „Dazu wurde jede Planungsstelle hinterfragt“, erläutert Peter Walter, „und Ausgabepositionen in intensiven Budgetgesprächen genau durchleuchtet. Ein kleiner Lichtblick zeigt sich auch im Bereich der Zinsaufwendungen. Durch die derzeit günstigen Rahmenbedingungen auf dem Kapitalmarkt können wir im Jahr 2010 mit 21,4 Millionen Euro 8,1 Millionen Euro weniger für den Kapitaldienst einplanen als im Vorjahr. Kassenkredite in einer Größenordnung von insgesamt aber etwa 322 Millionen Euro - 2009 waren es 267 Millionen Euro - bedeuten bei steigendem Zinsniveau - und damit ist über kurz oder lang zu rechnen - aber auch höhere Zinszahlungen.“

Im investiven Bereich bleiben die Einzahlungen mit 9,7 Millionen Euro auf etwa gleichem Niveau wie 2009 (9,3 Millionen Euro). Die Auszahlungen betragen 43,2 Millionen Euro und liegen damit 1,5 Millionen Euro niedriger als 2009. „Die Nettoneuverschuldung sinkt um 4,1 Millionen Euro auf 17,3 Millionen Euro“, erklärt Landrat Peter Walter, „weil wir im investiven Bereich unsere Hausaufgaben erledigt haben und damit der Investitionsbedarf für die Schulen nach der umfassend erfolgten Sanierung zurückgeht. Mit der PPP-Sanierung haben wir darüber hinaus konsequent im Sinne des Klimaschutzes gehandelt.“

Nicht abgebildet im Wirtschaftsplan sind die Maßnahmen der Konjunkturprogramme, da die Mittel über- und außerplanmäßig bereitgestellt werden. „Auf diesem Weg können wir nochmals 54 Millionen Euro in unsere Schulen investieren“, führt Claudia Jäger aus, „der größte Teil dieser Mittel fließt in 22 Baumaßnahmen an kreisweit 20 Schulen. Vor wenigen Tagen hatten wir die Grundsteinlegung an der Aueschule Dietzenbach und an der Trinkbornschule in Rödermark. Im letzten Haupt- und Finanzausschuss wurden Baumaßnahmen für die Carl-Orff-Schule, Rodgau, die Karl-Nahrgang-Schule, Dreieich, die Johannes-Gutenberg-Schule, Hainburg und die Wilhelm-Leuschner-Schule, Egelsbach beschlossen.“ Für das Konjunkturprogramm müssen im Wirtschaftsplan 313.000 Euro für die Tilgung kalkuliert werden.

Die zusätzlichen Baumaßnahmen, die Erweiterungen im Betreuungsbereich und auch die erweiterten Unterrichtszeiten - unter anderem durch die Einführung von G8 - führen dazu, dass die Kosten für die Bewirtschaftung steigen. Im Wirtschaftsplan 2010 werden für die Bewirtschaftung rund 41 Millionen Euro etatisiert, 2009 waren es knapp 37 Millionen Euro.

„Zu den gestiegenen Personalaufwendungen ist anzumerken“, so Claudia Jäger weiter, „dass Mehrausgaben von 1,5 Millionen Euro entstanden sind, obwohl wir den Stellenplan um vier Stellen, auf 765,5, reduziert haben. Sich ändernde Schwerpunkte, wie beispielsweise der Bereich Integration, konnten durch interne Umsetzungen personell gestärkt werden (1,5 Stellen zusätzlich). Konsolidierungseffekte versprechen wir uns auch unter anderem von der Einrichtung des Dienstleistungszentrums.“

Starke zusätzliche Belastungen gibt es erneut im Sozialbereich. „Wenn der Gesetzentwurf des Bundesarbeitsministeriums, der die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Unterkunft für Hartz IV-Empfänger von derzeit bundesweit 25,4 Prozent auf 23 Prozent herabsetzen will“, erklärt Kreisbeigeordneter und Sozialdezernent Carsten Müller, „heißt das für die Kreiskasse eine Minus von 1,2 Millionen Euro. Ich kann mich da nur der Meinung von Landrat Hans-Jörg Duppré, Präsident des Deutschen Landkreistages anschließen, der fordert, dass die Quote auf 35,8 Prozent erhöht werden müsste; für uns würde das ein Plus in der Kreiskasse von rund 6,5 Millionen Euro bedeuten.“

„Das Defizit fiele jedoch noch höher aus, wenn wir nicht optieren würden und damit die Arbeitsvermittlung nicht in eigener Hand hätten, um eigene Strategien und Konzepte umsetzen zu können“, so Müller weiter. „Daher ist es umso wichtiger, unsere Erfolge bei der Vermittlung weiter zu steigern; nur so können wir hier langfristig eine noch größere Kostenexplosion verhindern.“

Werfen wir aber auch einen kurzen Blick auf das, was in diesem Bereich geleistet wird: Für die Leistungen der Jugendhilfe werden rund 36,4 Millionen Euro aufgewendet, davon sind 28,8 Millionen Euro Zuschussbedarf. Für die Sozialhilfe nach dem SGB XII werden 26,5 Millionen Euro aufgewendet. Dabei schlägt die Grundsicherung für Ältere und Erwerbsgeminderte mit 12,1 Millionen Euro zu Buche, die stationäre Hilfe zur Pflege mit 5,15 Millionen Euro und die Eingliederungshilfe für Behinderte mit 4,91 Millionen Euro. „Zudem versuchen wir durch Prävention, wie zum Beispiel durch den Einsatz von Familienhebammen oder Programme wie die BerufsWegeBegleitung und den Ausbau der Schulsozialarbeit zukünftige Kosten zu vermeiden. Trotzdem ist die finanzielle Ausstattung angesichts der drohenden Probleme schlicht unzureichend“, macht Müller deutlich.

„Der Blick auf den Sozialetat, aber auch alle anderen Zahlen machen deutlich“, erklärt der Landrat, „dass mit einem Haushaltsausgleich, anders als noch in den letzten Jahren angenommen, bis 2012 nicht zu rechnen ist. Verantwortlich dafür, auch das zeigen die Zahlen, ist aber nicht ausschließlich die Finanzmarktkrise, sondern die seit Jahren immer wieder monierte strukturelle Unterfinanzierung der Landkreise und Kommunen. Oder um es mit den Worten von Wolfgang Schäuble zu sagen: „Ausgeglichene Haushalte sind für die Landkreise auf absehbare Zeit Illusion, sollten sich die Rahmenbedingungen nicht entscheidend ändern.“ Und hier liegt ein weiterer entscheidender Schlüssel für die Zukunft. Seit Jahrzehnten verschärft sich der Trend, dass Bund und Land immer mehr Kosten auf die Kommunen abwälzen.“

„So hat uns der Bund mit dem Versprechen der Kostenneutralität für die kommunalen Kassen,“ führt Peter Walter aus, „mit der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung eine rentenähnliche Ersatzleistung aufgebürdet, die 2004 etwa mit 5,5 Millionen Euro und derzeit bereits mit 12,1 Millionen Euro zu Buche schlägt, mit Blick auf den demographischen Wandel ist die Skala nach oben offen. Das Land hat mit seiner Entscheidung im Jahr 2007, die Quote für die Ersatzschulfinanzierung zu erhöhen - früher 50 Prozent jetzt 75 Prozent vom Gastschulfinanzierungssatz der öffentlichen Schulen -, unsere finanziellen Belastungen bis heute verdoppelt, 2007: 384.000 Euro, 2010: 646.000 Euro. Darüber hinaus sind die haushaltsrechtlichen Vorschriften mit Blick auf die Lebenswirklichkeiten zu überprüfen. So gibt es eine grundsätzliche Stellenbesetzungssperre von einem Jahr auch in den sensiblen Bereichen; nichts desto trotz werden zusätzlich Aufgaben wie beispielsweise die Impfungen für die Schweinegrippe auf unseren Fachdienst Gefahrenabwehr- und Gesundheitszentrum übertragen. Auch wenn pro Impfung nur 15 Minuten kalkuliert werden, macht dies bei bislang annähernd 1.500 Impfungen einen Zeitaufwand von 375 Stunden, nicht eingerechnet die aufwendigen Vorbereitungsarbeiten. Derzeit ist außerdem noch nicht erkennbar, was beispielsweise die Umsetzung des hessischen Sonderinvestitionsprogramms und des Konjunkturprogramms II des Bundes sowie das Wachstumsbeschleunigungsgesetz finanziell für die Kommunale Gemeinschaft bedeuten.“

Eigentlich dokumentieren die Zahlen des Kreises Offenbach bereits die Dramatik der Situation. Wenn die Einnahmeverluste der 21 hessischen Landkreise für das Jahr 2010 auf etwa 400 Millionen Euro beziffert werden und der Hessische Landkreistag darüber hinaus ebenfalls feststellt, dass diese Fehlbeträge ihre Ursache in einer strukturellen Unterfinanzierung haben, gibt es unter dem Status quo keine reelle Chance, dass die Landkreise jemals wieder den gesetzlich geforderten Ausgleich ihrer Einnahmen und Ausgaben sicherstellen können. „Dieser Auffassung des Hessischen Landkreistages schließe ich mich voll an. Darum muss es unser Ziel sein, den kommunalen Finanzausgleich unter völlig veränderten Gesichtspunkten zu diskutieren. Ein „Weiter so“ hieße: wir können uns viele Leistungen nicht mehr leisten und dies gilt auch für die Pflichtaufgaben. Auch wenn wir alle Leistungen auf den Prüfstand stellen, die tatsächlich in vollem Umfang freiwillig sind, beläuft sich der mögliche Einsparbetrag auf 6,8 Millionen Euro. Dies reicht nicht ansatzweise, um die annähernd 50 Millionen Euro Defizit auszugleichen und eine Besserung ist auch für 2011 nicht in Sicht!“, so Landrat Peter Walter abschließend.