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Ansprache des Vorsitzenden des Kreisausländerbeirates Offenbach Corrado Di Benedetto zum Empfang "Miteinander im Gespräch"am 4.11.2007

Manuskript - es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Landrat Walter,
sehr geehrte Erste Kreisbeigeordnete Frau Jäger,
verehrte Gäste!

Unser heutiger Empfang „Miteinander im Gespräch" findet dieses Jahr im Rahmen des 175-jährigen Jubiläums unseres Kreises satt, zu dem wir natürlich auch herzlich gratulieren wollen. Dies ist sehr erfreulich, meine Damen und Herren, da es auch deutlich macht, dass der Kreisausländerbeirat inzwischen fester Bestandteil unseres Kreises geworden ist, und dass sich sein Wirken in Kooperation mit den Verantwortlichen aus Politik und Verwaltung, sich in den letzten Jahren zum Wohle aller Menschen, die hier leben, sehr bewährt hat.

Eines der Zauberwörter heißt: Dialog, und es freut uns, dass wir seit nunmehr 14. Jahren „Miteinander Im Gespräch" sind. Und wie wir auch heute erneut sehen können, sind es Gott sei Dank viele, die sich ernsthaft für dieses Miteinander einsetzten.

Dies verehrte Gäste, hat meines Erachtens gewiss dazu beigetragen, dass die Identifikation der ausländischen Wohnbevölkerung mit „seinem Kreis" ein ganzes Stück vorangekommen ist. Und das ist, wie ich meine, nicht zu unterschätzen. Aber auch die so genannte „einheimische Bevölkerung" ist sich dadurch immer mehr im klaren darüber geworden, wie vielfältig und pluralistisch das Leben an sich geworden ist in unserem Mikrokosmos.

Und es ist in der Tat so, meine Damen und Herren, dass in den letzten Jahrzehnten sich in der Bundesrepublik Deutschland ein unumkehrbarer Immigrationsprozess vollzogen hat, der es geradezu herausfordert Zuwanderung und Integration - insbesondere vor Ort - systematisch und professionell zu gestalten und zu organisieren und zwar auf institutioneller Ebene.

Das Zuwanderungsgesetz, das ab Januar 2005 in Kraft getreten ist, hat - bei aller berechtigten Kritik, auf die ich hier nicht eingehen möchte - dennoch eine Art Paradigmenwechsel in Sachen Integration mit sich gebracht. Gott sei Dank, muss man da sagen, im Interesse aller Menschen, die hier in Deutschland leben.

Nach nunmehr über 50 Jahren ZUWANDERUNG - nicht der MIGRATION - war es in der Tat auch an der Zeit.

Demnach leben wir in einem Land, das sich inzwischen als Einwanderungsland begreift und auch dazu bekennt, wenn auch noch zu zaghaft, wie ich finde.

Durch diese Anerkennung wird dennoch deutlich, dass es hier im Grunde um nichts Geringeres geht, als sich vom Bild einer vermeintlich homogenen Gesellschaft zu verabschieden und aus der tatsächlich gegebenen Vielfalt, im Interesse aller, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.

Es geht also nicht darum, den „armen Ausländern" zu helfen, sondern um eine vernünftige Ausgestaltung UNSERER Einwanderungsgesellschaft... und dies, meine Damen und Herren, ist ein gewaltiger Unterschied. Ganz zu schweigen vom demografischen und ökonomischen Druck, der heute schon SPÜRBAR auf unsere Gesellschaft lastet.

Ich finde das schon sehr bedenklich, zum Beispiel Ingenieure aus so genannten „Dritte-Welt-Ländern" nach Deutschland locken zu müssen, und die hier - im wahrsten Sinne des Wortes- brach liegenden Potentiale und Schätze schlichtweg zu übersehen... das wird auf Dauer unsere Gesellschaft deutlich ins Wanken bringen, ist ja zum Teil jetzt schon so, wenn nicht bald ernsthaft dagegen gesteuert wird. Und in diesem Zusammenhang, verehrte Gäste, ist man natürlich gut beraten, im Interesse aller, die Themen der Immigration und Integration mit der gebotenen Aufmerksamkeit zu begegnen.

Einige aktuelle und sehr ernst zu nehmende Untersuchungen prognostizieren, dass es allein in Hessen, in den Jahren 2040 bis 2050 nahezu 50 Prozent der ansässigen Bevölkerung einen so genannten Migrationshintergrund haben wird, und das will und muss organisiert werden.

Im Übrigen sind heute schon in Hessen mehr als die Hälfte der Kinder unter sechs Jahren, Kinder mit Migrationshintergrund. Das scheint vielen wohl immer noch nicht klar zu sein. Insbesondere in den Städten und Gemeinden nicht - auch unseres Kreises - muss ich leider hinzufügen.

Unser Kreis, verehrte Gäste, hat schon Anfang der 90ger Jahre - in weiser Voraussicht möchte ich hier sehr bewusst betonen - damit begonnen, sich diesen Themen mit der gebotenen Ernsthaftigkeit zu stellen. Und zwar unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen im Kreistag, das will was heißen, verehrte Gäste.

Den von mir zu Beginn benutzten Begriff des PARADIGMENWECHSELS, der im Zuge des neuen Zuwanderungsgesetzes in ganz Deutschland immer deutlicher wird, hat unser Kreis für sich schon Anfang der 90ger Jahre eingeleitet. Es mag sein, verehrte Gäste, dass manch einer jetzt denkt, dies sei etwas überzogen. Schauen wir uns aber die neusten Vorgaben und Empfehlungen auf Bundes- und Landesebene in Sachen Integration an, auf die ich hier heute auch in kürze eingehen will, so wird deutlich, dass unser Kreis, was die Aspekte der Integration betrifft, sehr wohl als Vorreiter bezeichnet werden kann.

Nicht nur die vielen Projekte, Maßnahmen und Ähnliches machen das deutlich, es ist auch die Kultur der Auseinandersetzung mit den genannten Themen - auf der Ebene der Politik aber auch der Verwaltung -, die unseren Kreis diesbezüglich auszeichnen. Natürlich gibt es noch viel zu tun, in vielen Bereichen, aber die Grundsteine sind gelegt, und ich denke, auch so gut gelegt, dass keiner mehr wird wagen können, von diesen Themen abzulenken. Dafür möchte ich natürlich in meiner Funktion auch danken, und weiterhin dafür werben auf die gute Zusammenarbeit weiter zu setzen und weiter im Dialog zu bleiben, „Miteinander im Gespräch" eben.

Hier bleibt sehr zu wünschen, verehrte Gäste, dass die Art dieser Auseinandersetzung auch in den Städten und Gemeinden unseres Kreises noch mehr abfärbt, da Integration nur vor Ort, dort wo also sich das Leben abspielt, entsprechend gestaltet werden kann bzw. muss. Hier gibt es in den Städten und Gemeinden noch Immenses zu tun, trotz aller schon bestehenden Bemühungen, die doch sehr unterschiedlich von Gemeinde zu Gemeinde sind, auch in ihrer Qualität.

Es liegt mir auch sehr auf dem Herzen, verehrte Gäste, gerade zu unserem heutigen Anlass nicht unerwähnt zu lassen, dass Dank dieser guten Zusammenarbeit, es gelungen ist, die Situation in unserer Ausländerbehörde nicht nur für das Klientel, sondern auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wesentlich zu verbessern. Ich habe in meiner Funktion in den vergangenen Jahren die Zustände in dieser Behörde - weil es meine Aufgabe war - immer wieder kritisiert. Auch öffentlich. Heute ist es mir eine Freude, verehrte Gäste, Ihnen sagen zu können, dass es sich gelohnt hat, auch in diesem Punkt hartnäckig zu bleiben. Eine deutliche und von vielen Seiten her spürbare Verbesserung hat es in den letzten Monaten tatsächlich gegeben, und dafür will ich im Namen des Kreisausländerbeirates meinen Dank aussprechen. Natürlich der Kreisspitze, aber auch der neuen Leitung, Herrn Schwarz, und insbesondere den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Ausländerbehörde, die tagtäglich einen Dienst zu verrichten haben, um die sie nicht zu beneiden sind.
Nochmals herzlichen Dank dafür.

Meine Damen und Herren, ich habe bereits erwähnt, auf einige Vorgaben und Empfehlungen des Bundes, aber auch des Landes Hessen, in Sachen Integration eingehen zu wollen. Hier möchte ich mit besonderem Blick auf zwei - aus unserer Sicht - wesentlichen Schwerpunkte eingehen, nämlich:


Der Verantwortung der Städte und Gemeinden hinsichtlich der Gestaltung der Integrationsprozesse vor Ort und der Erhaltung der professionellen Migrationssozialarbeit, die auch bei uns im Kreis - bedauerlicher Weise - als Teil des Regelversorgungssystems so gut wie gar nicht mehr vorhanden ist.

Sowohl der gut durchdachte Nationale Integrationsplan, als auch die beispielhaften Empfehlungen des Landes Hessen zur Steuerung kommunaler Integrationsprozesse sind uns hier sehr dienlich, und deshalb will ich, wenn auch in Kürze, darauf eingehen.

Der Nationale Integrationsplan ist Ihnen sicherlich bekannt. Einer der Auslöser zur Erstellung dieses Planes waren insbesondere die Krawalle in den Vororten Frankreichs, mehr muss man wohl dazu nicht sagen. Es ist ein umfangreiches Werk, von mehreren 100 Seiten, dessen Umsetzung natürlich nur dann funktionieren kann und wird, wenn vor Ort, also in den Städten und Gemeinden, Integration entsprechend organisiert und gesteuert wird. Dies verehrte Gäste, kann ich nicht oft genug betonen, da es in der Tat einer der schwierigsten Knackpunkte ist.

Nach einer über 50-jährigen Immigrationsrealität in Deutschland, hat es die jetzige Bundesregierung geschafft, endlich einen Plan, zumindest auf den Weg zu bringen, der nicht nur in den Augen mancher Experten als eine kleine „Revolution" bewertet wird. Wir sind darüber sehr erfreut und auch dankbar, dass es gelungen ist, eine erste, wirklich ernst zu nehmende gemeinsame Erklärung auf Bundesebene erhalten zu haben, die auf einem breiten politischen Konsens basiert - und als Grundlage für die Gestaltung der Integration in unserem Einwanderungsland dienen soll.

Die Weichen für eine neue Kultur der Behandlung der verschiedenen Aspekte der Integration sind somit - Gott sei Dank - gestellt. Es ist politischer Wille, nun diese große gesellschaftliche Herausforderung institutionell anzugehen.

Erfreulich dabei ist auch die Tatsache, dass die so genannten „Betroffenen" maßgeblich an der Erarbeitung dieses nationalen Planes mitgewirkt haben. Hier ist wieder eines der Zauberwörter zu erkennen. Dialog oder auch „Miteinander im Gespräch". Auch das ist neu auf Bundesebene, verehrte Gäste, aber von eminenter Bedeutung, will man die Ausgestaltung unserer Einwanderungsgesellschaft so voran bringen, dass sie sich zum Wohle aller Mitglieder, unabhängig von Nationalität, Hautfarbe und Religion, auswirkt. Abgesehen davon, dass es hierzu keine wirklich vernünftige Alternative gibt, und ökonomisch schon gar nicht!

Ich will in diesem Zusammenhang auch mit Freude erwähnen, dass einer der Gründungsmitglieder unseres Kreisausländerbeirates und jetziges Mitglied des Kreistages, zum Teil maßgeblich bei der Erstellung dieses Werkes mitgewirkt hat. Es ist Herr Franco Marincola, der heute aufgrund anderer Verpflichtungen leider nicht bei uns sein kann. Seine inzwischen bundesweit beachtete Kompetenz gerade in Sachen Bildung, hat auch im Nationalen Integrationsplan den entsprechenden Niederschlag gefunden. Weite Teile des Dokuments, gerade in Sachen Bildung und Ausbildung tragen auch seine Handschrift. Wir wollen ihm von hier aus danken, und hoffen natürlich auch, dass gerade in unserem Kreis - seiner politischen Heimat - seine Ansätze entsprechend zur Geltung kommen.

Beim Lesen des Nationalen Integrationsplans kann man, bei aller Kritik, feststellen, dass es einige markante Aussagen gibt, die sich wie ein roter Faden durch das Werk ziehen. Da könnte gar die Bundesregierung vom Kreis Offenbach abgekuckt haben, und dies ist durchaus ernst gemeint, verehrte Gäste.

Begriffe wie

    • Integration als Chefsache deklarieren
    • Integration als zentrale Aufgabe der Politik

Zwingende Einbindung der Menschen mit Migrationshintergrund in der Gestaltung des Integrationsprozesses

    • Wertschätzung der Vielfalt unter dem Motto „fördern und fordern"
    • Internationalität ist ein wichtiger Standortfaktor
    • Vielfalt ist eine große Ressource, die es zu nutzen gilt
    • Mehrsprachigkeit als wesentliches Element der persönlichen Entwicklung
    • Potentiale und nicht die Defizite sind das Maß aller Dinge
    • Weiterführung der Interkulturellen Öffnung usw.

All das verehrte Gäste, sind bei uns - seit Jahren schon - keine Fremdwörter. Insofern ist meine Annahme, der Bund habe von uns im Kreis Offenbach abgeschrieben, gar nicht so abwägig, und es zeigt auch, dass das, was ich anfänglich erwähnt habe, unser Kreis hätte in weiser Voraussicht gehandelt, tatsächlich seine Berechtigung hat.

Hier kann man nur gratulieren und sich dafür bedanken! Denn ich weiß, dass es nicht einfach war, mit Themen der Integration in der Vergangenheit politisch zu punkten. Im positiven Sinne natürlich! Nun scheint sich das Blatt glücklicher Weise gewendet zu haben.

Persönlich hat es mich auch sehr gefreut, dass im Nationaler Integrationsplan nicht von so genannten Migranten die Rede ist, sondern von Menschen mit Migrationshintergrund. Das ist ein kleiner, aber ein ganz feiner Unterschied. Und es macht deutlich: „Wir haben verstanden." Menschen mit Migrationshintergrund ist zwar auch nicht das Gelbe vom Ei. Aber allemal besser und vor allem treffender als das „Unwort Migrant" möchte ich fast sagen, dass dazu noch allzu sehr negativ belastet ist. Und auch hier glaube ich, dass unser Kreis ein Wörtchen - wenn auch indirektmitgeredet hat.

Vom Nationalen Integrationsplan nun zu den beispielhaften und in der Tat wegweisenden Empfehlungen des Landes Hessen mit dem Titel:

„Land und Kommunen - Hand in Hand für eine gute Integration.Leitlinien und Handlungsempfehlungen für kommunale Integrationsprozesse in Hessen"

Auch hier kann man bei aller Kritik feststellen, dass es in Hessen bisher, keine so deutlich politisch formulierte und breit getragene Erklärung inSachen Integration gegeben hat, wie sie die jetzige Landesregierung in enger Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden vorgelegt hat. Dass dies - das möchte ich hier auch nicht verhehlen, verehrte Gäste - von einer Landesregierung kommt, von der man es möglicherweise am wenigsten erwartet hätte, hat viele Kritiker - da will ich mich auch nicht ausklammern - einfach überrascht. Positiv überrascht! In meinen Augen gehen zwar diese Empfehlungen nicht weit genug. Gerade was die politische Partizipation der ausländischen Wohnbevölkerung betrifft und das fehlende Festhalten an dem Konzept der professionellen Migrationsberatung als Teil des Regelversorgungssystems.

Aber es ist allemal eine bedeutende Erklärung, was für einen Stellenwert nun die Aufgabe der Integration für das Land Hessen hat, und es ist auch allemal die Aufforderungen an die Kommunen, bei aller Achtung der kommunalen Selbstverwaltung, die Prozesse der Integration nicht weiter dem Zufall zu überlassen, wie es bisher in den meisten Städten und Gemeinden geschehen ist.

Es ist die Aufforderung, dass die Kommunen selber professionell, und unter Einbindung aller Kräfte, den Prozess der Integration zu gestalten haben. Da meine ich, trifft unsere Landesregierung genau in die richtige Kerbe.

Und auch über dieses Papier sind wir natürlich sehr dankbar, und ich habe es fast täglich mit in meiner Arbeitstasche, man kann ja nie wissen.

Darin heißt es in dem Vorwort der Staatsministerin Frau Lautenschläger, ich zitiere:

„Integration ist eine Querschnittsaufgabe, die alle Lebensbereiche und alle Politikfelder auf Bundes-, Landes- und INSBESIONDERE auf der kommunalen Ebene betrifft. Integration erfordert das Engagement und die gemeinsame Verantwortlichkeit aller Beteiligten am Integrationsgeschehen vor Ort."

Weiter heißt es unter Punkt V. des Dokuments „Struktureller Ansatz": Damit Integration gelingen kann, ist ein dauerhafter Dialog unter Einbeziehung der für das Gemeindeleben wesentlichen Organisationen und gesellschaftlichen Gruppen, der die Potentiale der Migrantinnen und Migranten berücksichtigt, ebenso erforderlich wie eine Steuerungsmöglichkeit durch die Kommunen und die beratenden Gremien und der Einsatz operativer Kräfte bei der Umsetzung von Integrationsmaßnahmen.

Als beispielhafte Strukturansätze sind das Einbeziehen aller vor Ort lebenden Einwohner in den Integrationsprozess, das Einbeziehen aller Zuwanderergruppen in den Dialog und das soziale Gefüge der Kommune, die Einrichtung einer zentralen Koordinierungs- und Anlaufstelle, die institutionalisierte Zusammenarbeit und Vernetzung zwischen den beteiligten Ämtern, Einrichtungen und Organisationen und die Kooperation mit den Ausländerbeiräten." Ende des Zitats.

Diese Messlatte ist sehr hoch, verehrte Gäste, und ich traue mich gar nicht zu fragen, welche unserer Gemeinden so verfahren. Dabei verkenne ich auch nicht, dass in unseren Gemeinden es zum Teil hervorragende Projekte und Maßnahmen usw. gibt - viele übrigens sind von unserem Kreis angestoßen - aber insgesamt, dies meine Damen und Herren, muss ich in aller Deutlichkeit feststellen, ist es nicht genügend.

Gerade was das Organisieren und Steuern dieser kommunalen Prozesse, weisen noch eklatante Lücken auf, die es zunächst zu schließen gilt. Und natürlich ist damit verbunden, dass Integration nicht aus der Portokasse finanziert werden kann, geschweige denn zum Nulltarif.

Es gibt zum Teil sehr gute Ansätze in einigen unserer Kommunen im Kreis, das sagte ich schon, möchte ich nicht verkennen. Folgt man aber den Inhalten des Nationalen Integrationsplanes, als erklärter politischer Wille, sowie den Empfehlungen der Hessischen Landesregierung ernsthaft, wozu es meines Erachtens gar keine vernünftige Alternative gibt, so müssen wir feststellen, dass diesbezüglich noch ein ganz, ganz weiter Weg auch vor unseren Gemeinden im Kreis Offenbach liegt.

Aber verehrte Damen und Herren, da möchte ich Sie auch trösten, denn auch der längste Weg, beginnt mit dem ersten Schritt.

Der Kreis Offenbach hat diesbezüglich in den vergangenen Jahren im wahrsten Sinne des Wortes, vorbildlich gearbeitet. In meinen Augen hat er im Rahmen seiner Möglichkeiten auch versucht Pflöcke in die Erde zu setzten, wo es nur ging. Er hat auch Gelder zur Verfügung gestellt. In nicht unerheblichem Maße, wie ich finde. Aber die Kommunen sind bisher für mein Empfinden, da zu wenig, noch viel zu wenig gefolgt. Und alleine darauf zu warten, dass von irgendwo her Gelder fließen sollen für diese große Aufgabe, das wird in Zukunft wohl nicht mehr gehen, das muss auch deutlich gesagt werden. Im Umkehrschluss heißt das, dass die Kommunen künftig zumindest anteilsweise auch mehr Eigenmittel für diese große Herausforderung bereitstellen müssen.

Ein weiterer Punkt, der uns Sorge bereitet und überhaupt kein Thema zu sein scheint, zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung nicht, ist das in Hessen fast gänzlich aufgelöste Angebot der professionellen Migrationssozialarbeit, der so genannten Migrationsberatung, die keinesfalls mit dem ausschließlich Bund - finanzierten Angebot der neuen Migrationserstberatung zu tun hat. Was gerne verwechselt wird. Auch in Fachkreisen übrigens, worüber ich immer wieder staunen muss.

Seit der „Operation Sichere Zukunft" der hessischen Landesregierung im Jahre 2004, hier muss ich leider auf etwas eingehen, das gar nicht so gut ist auf Hessenebene, und sich sehr negativ auf die Integrationsprozesse auswirkt. Nur, scheint es niemand merken zu wollen. Sicherlich auch deshalb, weil es in erster Linie Menschen bzw. Ratsuchende trifft, die sich nicht in der Lage sehen und tatsächlich auch nicht sind, ihre Interessen zu artikulieren, geschweige denn öffentlich.

Hier ist es natürlich auch die Aufgabe der Ausländerbeiräte mahnend darauf hinzuweisen, und auch der Landesausländerbeirat hat dieses Thema bereits auf die Agenda genommen und zwar gemeinsam mit der Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen. Darüber wurde auch schon mit Sozialministerin, Frau Lautenschläger, gesprochen, jedoch scheinen da zum Teil große Hürden auf dem Weg einer Einigung zu liegen. Dies ist natürlich in Anbetracht der Wichtigkeit eines Bereithaltens eines solchen Angebotes hessenweit sehr bedauerlich.

Aber auch hier denke ich, sollten sich die Kommunen im Rahmen ihrer Möglichkeiten zumindest dafür einsetzen, und in Verhandlung mit dem Land, nach adäquaten Lösungen mit zu suchen, für Menschen, die seit Jahrzehnten in ihren Städten leben, und keine kompetente Ansprechpartner mehr finden können, insbesondere in Fragen der sozialen Sicherheit nicht, nach der erwähnten „Operation Sichere Zukunft".

In meiner letzten Ansprache vor etwa einem Jahr bin ich bereits auf diese Thematik eingegangen und habe auch da schon die Sorge beschrieben, und erneut darum gebeten, dass sich auch unser Kreis hierüber ernsthaft Gedanken machen sollte. Inzwischen haben wir im Zuge der Neugestaltung der Beratungslandschaft in unserem Kreis das dritte Beratungszentrum eröffnen können, und obwohl der überwiegende Teil der Ratsuchenden, in allen drei Zentren, ausländischer Herkunft sind, findet sich in keinem dieser Zentren eine entsprechend kompetente Fachkraft, die die Bereiche der Integration und Immigration - auch mit Blick auf die interkulturelle Kompetenz - abdecken kann. Dies ist aus fachlicher Sicht sehr unverständlich und stellt eine eklatante Lücke auch im hiesigen Versorgungssystem dar, die dringend zu schließen wäre.

Im Übrigen will ich hier deutlich unterstreichen, um keinesfalls missverstanden zu werden meine Damen und Herren, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in diesen Zentren tätig sind, sehr gute Arbeit leisten, natürlich auch für das Klientel mit Migrationshintergrund. Doch das Fehlen der so genannten interkulturellen Kompetenz, macht eine - aus professioneller Sicht - fundierte Beratung für die ausländischen Ratsuchenden einfach nicht möglich.

Es ist gut, dass Integrationsaufgaben nicht mehr allein der Sozialen Arbeit der Wohlfahrtsverbände überlassen bleibt - dass haben die letzten Jahrzehnte auch gezeigt -, sondern als gesamtgesellschaftliche Aufgaben begriffen werden, die eine interkulturelle Öffnung von Verwaltungen und Einrichtungen genauso nach sich ziehen müssen, wie eine qualifizierte Sprachförderung, eine bessere Vernetzung von Maßnahmen und Akteuren vor Ort und die Aktivierung bürgerschaftlichen Engagements. Eine Fehlentwicklung wäre es allerdings, wenn diese dringend genannten und notwendigen Integrationsstrategien als Alternative zu einer migrationsspezifischen Sozialarbeit begriffen würden.

Genau diese Fehlentwicklung konstatieren die Wohlfahrtsverbände und den Landesausländerbeirat angesichts der Streichung der Mittel im Jahre 2004. Die Förderung von Deutschkursen und ehrenamtlichen Integrationslotsen allein reichen für eine nachhaltige Integrationspolitik jedenfalls nicht aus. Es wäre einfach zu schön, wäre es so. Die ersatzlose Streichung aller finanziellen Zuschüsse für Migrationsberatungsstellen in Hessen, war und ist integrationspolitisch ausgesprochen schädlich.

Durch die genannten Streichungen gibt es - abgesehen von ganz wenigen Stellen, die die Wohlfahrtsverbände aus Eigenmitteln finanzieren - in Hessen nur noch vom Bund geförderte Migrationserstberatungsstellen. Diese sind allerdings bis auf wenige Ausnahmen für so genannte Neuzuwanderer in den ersten drei Jahren vorgesehen. Damit stehen die so genannten „Bestandsausländer", also bereits länger hier lebende Zuwanderer, deren Zahl um ein Vielfaches übersteigt, buchstäblich vor der Tür.

Migrationserstberatungsstellen dürfen sie in der Regel nicht beraten, andere Soziale Dienste können es nicht, weil diese Klienten oft mit migrationsspezifischen Fragen und Anliegen vorstellig werden, die zu beantworten, selbst interkulturell offene andere Soziale Dienste nicht in der Lage sind.

Damit ist ein großes Loch ins Netz sozialer Hilfen für Menschen mit Migrationshintergrund, die länger als drei Jahre hier leben, gerissen, und zwar gerade da, wo Integrationsarbeit besonders wichtig wäre.

Der über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannte Migrationsforscher Klaus Bade wiederholt seit Jahrzehnten unermüdlich, dass eine nachholende Integrationspolitik, die vor allem hier länger lebende Zuwanderer ins Zentrum stellt, ich zitiere: „Die wichtigste Säule der Integrationspolitik in Deutschland" ist, Ende des Zitates.

Auch der Nationale Integrationsplan konstatiert einen, ich zitiere: „erheblichen nachholenden Integrationsbedarf" und bewertet ihn als „Aufgabe von nationaler Bedeutung", Ende des Zitats.

Was in Hessen als Alternative zur professionellen Migrationssozialarbeit empfohlen wird, die interkulturelle Öffnung von Diensten und Verwaltungen, die Aktivierung bürgerschaftlichen Engagements und die Vernetzung von Angeboten und Akteuren vor Ort ist gewiss sehr wichtig, aber einfach unzureichend. Und eine Alternative zur professionellen Migrationssozialarbeit ist das mit Sicherheit nicht.

Es bleibt zu wünschen, meine Damen und Herren, dass wir einen Weg finden, um die genannte Lücke zu schließen. Hier deutet sich an, dass allein unser Kreis es nicht lösen wird können, aber in Abstimmung mit unseren Gemeinden und vielleicht auch dem Land, kann zumindest ernsthaft nach Lösungen gesucht werden. Und ich bin mir auch sicher, dass die Wohlfahrtsverbände sich dem auch nicht verschließen werden.

Verehrte Gäste, ich hoffe, dass es mir auch dieses Jahr gelungen ist, Ihnen genügend „Material" für das anschließend folgende „Gespräch miteinander" geliefert zu haben und bedanke mich herzlich für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.

Corrado Di Bendetto
Vorsitzender