Präventionsarbeit gegen Extremismus
Der religiös begründete Extremismus zielt darauf ab, das friedliche Zusammenleben der Menschen ganz gleich mit welchem Glauben und Hintergrund zu stören, gesellschaftliche Polarisierung zu provozieren und anderen ihre religiös-politischen Vorstellungen aufzuzwingen. Extremisten versuchen, demokratische Strukturen zu zerschlagen, und sie wollen bei der Frage nach der Grundordnung und den Werten des Zusammenlebens die Deutungshoheit übernehmen. Oftmals werden junge Menschen, darunter auch Flüchtlinge, mit dem Versprechen geködert, in religiös begründeten extremistischen Ideologien die wahre Erfüllung finden zu können.
Gegen diese Entwicklung setzt der Kreis Offenbach seit Sommer 2016 mit dem im Fachdienst Integrationsbüro angesiedelten Projekt „PRO Prävention“ ein Zeichen. Im Kampf gegen antidemokratische Haltungen und Extremismus informieren Fachdienstleiterin Selver Erol, Projektkoordinator Janusz Biene und ihr Team in Schulen, Jugendzentren und Migrantenselbstorganisationen darüber, wie die Vorgehensweise beispielsweise von salafistischen Anwerbern aussieht. Im Zentrum steht die Förderung von Kompetenzen pädagogischer Fachkräfte in der Lösung von kulturell oder religiös verstandenen Konflikten.
Neben der Aufklärung und Kompetenzförderung geht es bei „PRO Prävention“ auch darum, dass sich junge Menschen in unterschiedlichen Projekten mit ihrer Rolle in der Gesellschaft auseinandersetzen, sich zum Beispiel ihrer Identitäten bewusst werden und für sich persönlich herausfinden, auf welche Vielfalt an Werten sie bauen können. Neben Glaube und Geschlecht kann beispielsweise die regionale Herkunft eine wichtige Rolle spielen. Auf diese Weise wird bewusst, dass das Zusammenleben von vielen Aspekten, nicht nur von Glauben oder Herkunft, beeinflusst wird. Diese Themen standen im Mittelpunkt einer ersten dreimonatigen Arbeitsgruppe mit Jugendlichen im Alter zwischen 13 und 20 Jahren. Weitere Workshops rund um die Identität und das Wir-Gefühl sind für die Umsetzung in Schulklassen vorgesehen.
„Ein Aspekt der Präventionsarbeit in unserem Projekt ist die Stärkung des Selbstwertgefühls von jungen Menschen, damit sie nicht für Extremismus anfällig sind und ihr Heil nicht in intoleranten und fanatischen Gruppen suchen“, sagt Landrat Oliver Quilling. Wer in seinem sozialen Umfeld, in der Familie, im Freundeskreis, Halt findet und auf verschiedenen Feldern Zufriedenheit ernten kann, ist in seiner Persönlichkeit stärker und besser davor geschützt, ins gesellschaftliche Abseits zu geraten oder sich mit extremistischen Kräften zu verbünden“, so der Landrat.
Erste Kreisbeigeordnete Claudia Jäger hebt den Aufbau eines kreisweiten Netzwerkes gegen Extremismus und die Förderung des interkulturellen sowie interreligiösen Dialogs durch das Projekt hervor. „PRO Prävention bedeutet auch, dass wir mit einem niederschwelligen Angebot dort über Gefahren des Extremismus´ informieren, wo diese Aufklärung am effizientesten ist: in Schulen, Jugendzentren, Vereinen und anderen gesellschaftlichen relevanten Orten“, sagt die Erste Kreisbeigeordnete. „Durch die Fortbildung von Multiplikatoren in den Kommunen bauen wir ein kreisweites Netzwerk gegen Extremismus auf“, so Claudia Jäger.
Das Projekt gibt Antworten etwa auf die Frage: Was fasziniert hier aufgewachsene und sozialisierte Mädchen und Jungen am Salafismus? Bei der Beratung stehen auch Eltern und Lehrer im Fokus, die wissen möchten, wie sie Sympathien und die Hinwendung Jugendlicher zu religiös begründetem Extremisten oder auch zu rechtsradikalen Tendenzen erkennen können.
„Extremismus ist kein Problem, das von außen in die Gesellschaft getragen wird. Die Ursachen von Radikalisierung finden sich hier. Extremismus verdichtet und bündelt die Einstellungen, die in unserer Gesellschaft bereits vorhanden sind“, betont Projektkoordinator Janusz Biene. Die Arbeit im Projekt „PRO Prävention“ konzentriert sich nicht allein auf die Ränder. „Das Thema berührt alle, deshalb heißt es im Dialog und der Zusammenarbeit beispielsweise mit Moscheevereinen auch nicht, Ihr habt ein Problem, sondern wir haben ein Problem`“, sagt Janusz Biene.
Das Polizeipräsidium Südosthessen, das Landesamt für Verfassungsschutz Hessen, Fachleute des Integrationsbüros des Kreises Offenbach, Institute, Vereine und Organisationen, Verbände sowie Expertinnen wie Prof. Dr. Susanne Schröter, Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam (FFGI), arbeiten in einem neu gebildeten Kompetenzteam im Projekt mit.
Das Polizeipräsidium Südosthessen unterstützt den Kreis Offenbach bereits seit 2015 in der Lenkungsgruppe des Präventionsrates bei der Einrichtung und Umsetzung des Projektes „Pro Prävention“. „Die Initiative des Kreises Offenbach begrüße ich ausdrücklich. Sie ist hervorragend geeignet Radikalisierungstendenzen frühzeitig zu erkennen und religiösen Extremismus wirksam entgegenzutreten“, zeigt sich Polizeipräsident Roland Ullmann überzeugt.
Die Begleitung und Unterstützung der Präventionsarbeit durch das Polizeipräsidium Südosthessen zeigt Erfolge. Als Beispiel nennt Roland Ullmann die enge Zusammenarbeit mit Lehrkräften und Schulleitern, die sich zuletzt Anfang März bei einer zweitägigen Tagung der Staatlichen Schulämter Frankfurt, Hanau und Offenbach mit dem Thema „Extremismus als Herausforderung an Schulen“ beschäftigt haben. Bei weiteren Treffen ging es um vertrauensbildende Maßnahmen in der Erst- und Zweitaufnahme von Flüchtlingen durch die Migrationsbeauftragten der Polizei oder die Ausgabe von Publikationen und Medienpaketen („Mitreden“, „Radikal“) im Programm Polizeiliche Kriminalprävention.
„Die Sensibilisierung und Aufklärung über Phänomene von religiös begründetem Extremismus sind eine gesellschaftlichen Aufgabe. Mit der dazu gehörenden Koordinierungsstelle ist das Projekt zu einem wichtigen Baustein der Präventionsarbeit geworden. Die Aufklärung und Kompetenzförderung in den Schulen, der Jugendarbeit und in Migrantenselbstorganisationen läuft vorbildlich“, sagt Gregor Dietz, Leiter des Hessischen Kompetenzzentrums gegen Extremismus im Innenministerium. „Viele Kommunen in Hessen schauen auf dieses Vorzeigeprojekt des Kreises Offenbach“, so Dietz.
Auf der Agenda des Präventions-Koordinators Janusz Biene stehen in dem bis 2019 laufenden Projekt, das vom hessischen Innenministerium und der EU gefördert wird, öffentliche Fachtagungen und Veranstaltungen zur Förderung des interreligiösen Austausches, Theater-Aktionen für Jugendliche, Workshops in Klassen, eine Kampagne mit positiven Beispielen der Integration sowie Vorträge zu den Themen Glauben, Recht und Moral. Dabei geht es um die Frage, was den Menschen in der pluralistischen Gesellschaft Orientierung gibt. „Wir möchten junge Leute, von denen sich viele in einem Suchprozess befinden, in ihrem sozialen und kulturellen Umfeld abholen und sie dabei unterstützen, eigene Haltungen zu entwickeln“ sagt Janusz Biene.