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23.03.2004

Vorbereitungen zur Umsetzung von Hartz IV im Kreis Offenbach laufen

Ab dem 1. Januar 2005 werden Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe zum Arbeitslosengeld II zusammengefasst. Dies ist der zentrale Gedanke der unter dem Stichwort Hartz IV publik gewordenen Arbeitsmarktreform. „Da diese Veränderungen die Kreise als Leistungsträger unmittelbar betreffen“, erläutert Landrat Peter Walter, „hat sich der Kreis Offenbach bereits frühzeitig intensiv mit dieser Problematik auseinandergesetzt und eine eigene Stabsstelle eingerichtet. Hier laufen alle Fäden zusammen, werden Informationen gesammelt, Daten und Fakten erhoben und Konzepte entwickelt, um die neuen Sachverhalte gründlich zu prüfen und Entscheidungsvorlagen für die Gremien zu erarbeiten. Die ersten Ergebnisse bestätigen die Einschätzung des deutschen Landkreistages und des Landes Hessen, dass das Optionsmodell, wenn denn die noch auszuhandelnden Bedingungen stimmen, auch für den Kreis Offenbach die bessere und praktikablere Alternative ist.“

Die aktuelle Regelung sieht so aus, dass die Arbeitslosenhilfe derzeit von der Bundesagentur für Arbeit gezahlt wird und die Sozialhilfe von Kreisen und Kommunen. Das Sozialgesetzbuch II, das sich unter anderem hinter Hartz IV verbirgt und am 24. Dezember 2003 in Kraft getreten ist, sieht vor, dass die Bundesagentur für Arbeit künftig Eingliederungsleistungen und Geldleistungen sowohl für die Empfänger von Arbeitslosenhilfe als auch für die erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger bezahlt. Die Landkreise und kreisfreien Städte müssen für die soziale Betreuung einschließlich Kinderbetreuung, häusliche Pflege für Angehörige sowie für Unterkunft, Heizung und einmalige Leistungen aufkommen. Zusätzlich müssen sie auch notwendige Beratungsangebote, wie beispielsweise Schuldner- oder Suchtberatung vorhalten. „Damit ist das ursprüngliche Ziel dieses Gesetzes“, erklärt Landrat Peter Walter, „die Aufgaben in einer Hand zusammenzuführen, erkennbar verfehlt. Es gibt nach wie vor zwei Leistungsträger, die sowohl für passive als auch für aktive Leistungen zuständig bleiben. Darüber hinaus entscheidet bei dieser Variante alleine die Bundesagentur über die Erwerbsfähigkeit und Hilfebedürftigkeit der betreffenden Personen, so dass die Kommunen selbst jede Steuerungsmöglichkeit aus der Hand geben. Damit sind zum einen Konflikte vorprogrammiert und zum anderen bleiben die Kommunen auf nicht mehr zu beeinflussenden Kosten sitzen.“

Anders sieht es bei Nutzung der so genannten kommunalen Option aus, für die allerdings noch die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen ausgehandelt werden müssen. In dieser Variante wird die Arbeitslosen- und Sozialhilfe tatsächlich bei einem Leistungsträger, nämlich den Kreisen und Kommunen, zusammengeführt. Damit kann nicht nur Kompetenzgerangel vermieden werden, sondern hier können die Kommunen die langjährig erworbenen Erfahrungen nutzen, die sie bei der Betreuung von Sozialhilfeempfängern und im Bereich Beschäftigungsförderung erworben haben.

Ein Blick in die Bilanz des Regionalteams Seligenstadt, das 2000 als Modell für integrierte Beratungsleistungen im Fachbereich Jugend und Soziales installiert wurde, bestätigt dies anhand von Zahlen. Im Jahr 2003 konnte in 49 von 58 Hilfefällen der Bezug durch Vermittlung in den Arbeitsmarkt beendet werden. In 28 dieser Fälle betrug die Verweildauer im Bezug weniger als ein Jahr. Von insgesamt 534 Kunden, die das Regionalteam 2003 aufsuchten, konnten durch Beratung und intensive Fallbearbeitung 54 Prozent erfolgreich aus dem Sozialhilfebezug genommen werden, sei es durch Vermittlung in den Arbeitsmarkt, durch Hilfe zur Selbsthilfe oder durch die Nutzung anderer Hilfeträger. In den Jahren 2000 und 2001 konnten 147 Menschen erfolgreich in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden. Für etwa 400 Menschen konnte darüber hinaus in den vergangenen 4 Jahren ein befristetes sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis abgeschlossen werden, das gleichzeitig auch der Qualifizierung diente, wie beispielsweise im Bereich Hauswirtschaft oder Instandsetzung der Bahnhöfe.

Im Kreis Offenbach werden derzeit vom Kreis und den sechs Delegationsgemeinden insgesamt 5.015 Bedarfsgemeinschaften mit mindestens einem erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger betreut. 3.570 Menschen erhalten Arbeitslosenhilfe. Diese Zahlen sind um etwa 830 so genannte „Doppelbezieher“ bereinigt, die bislang Leistungen sowohl von der einen als auch von der anderen Stelle erhalten haben. „Für diese etwa 8.600 Bedarfsgemeinschaften, das sind etwa 21.500 betroffene Menschen“, nennt der Landrat Zahlen, „haben wir nach den uns vorliegenden Daten mit einem geschätzten finanziellen Mehraufwand von mindestens 21,8 Millionen Euro zu rechnen. Ein erheblicher Teil dieser Summe resultiert daraus, dass es keine Erstattung des Wohngeldes mehr geben wird. Diese Position veranschlagen wir mit etwa 9,3 Millionen Euro.“

Entscheidet sich der Kreis für das Optionsmodell, kann er selbst Strategien und Aktivitäten entwickeln, um möglichst viele dieser Menschen in Lohn und Brot zu bringen und so die finanzielle Belastung so weit wie möglich zu reduzieren. Im anderen Fall wird nur gezahlt, die Entscheidungen trifft die Bundesagentur. Mit dem Ja zur Option wird sich allerdings künftig die Arbeit im Fachdienst Jugend und Soziales erheblich verändern. Es gilt nicht mehr nur Leistungsbedarf festzustellen und Leistungen zu berechnen. Zu den Kernaufgaben werden künftig vor allem die Arbeitsvermittlung und das Angebot von Qualifizierungsleistungen gehören, um den Weg in den Arbeitsmarkt zu ebnen. Da die Leistungen alle aus einer Hand kommen, können sie gezielt auf die individuelle Situation abgestimmt werden. Damit wird die Wiedereingliederung in das Berufsleben deutlich optimiert.

Auf die Frage nach den dafür erforderlichen Personalressourcen gibt es derzeit ebenso wenig eine abschließende Antwort wie auf die Frage nach der lokalen und räumlichen Organisation, zumal ja auch die gesetzliche Grundlage für die Aufgabendelegation an die Kommunen entfällt. „Zur Zeit haben wir etwa 40 Beschäftigte“, führt der Landrat aus, „auf deren Sachverstand und Erfahrung wir auch künftig nicht verzichten können. Diese Ressourcen werden allerdings nicht ausreichen, um die zusätzlichen Aufgabenstellungen zu bewältigen. Vorstellbar sind unterschiedliche Alternativen, sei es eigens Personal, die Kooperation mit der Bundesagentur oder Dienstleistungsvereinbarungen mit Privaten.“

„So wie sich die Situation derzeit darstellt“, erläutert der Landrat abschließend, „ist das Ausüben der Option aus Sicht des Kreises Offenbach derzeit scheinbar der bessere Weg. Die Leistungen in einer Hand versprechen Effizienz und kurze Wege. Der Kreis behält die Steuerungsinstrumentarien in der Hand und die finanziellen Folgen werden durch die unmittelbare Bundesfinanzierung kalkulierbar. Dazu muss noch eine weitere Besonderheit vor Ort ins Kalkül einbezogen werden. Anders als beispielsweise einige Städte, die sich durchaus die Zusammenführung der Leistungen bei der Bundesagentur für Arbeit vorstellen können, arbeitet der Kreis Offenbach bereits jetzt mit zwei Arbeitsämtern zusammen, Frankfurt und Offenbach. Dies würde sich auch aller Voraussicht nach künftig nicht ändern. In der Praxis hieße dies, wenn wir die Option nicht wahrnehmen, müssten wir uns mit zwei Arbeitsagenturen verständigen, an denen unterschiedliche Gebietskörperschaften beteiligt wären. Damit ist ein zusätzlicher Aufwand erforderlich, der sicherlich von keinem gewollt ist. Natürlich müssen wir abwarten, wie die Bedingungen des Options-Modells letztlich aussehen, um Kreistag und Kreisausschuss endgültige Planungszahlen vorlegen zu können. Vor dem Hintergrund der noch verbleibenden Zeitspanne zur Umsetzung des Gesetzes müssen wir derzeit jedoch schon alle Alternativen durchdenken, um die bestmögliche Lösung für unseren Kreis zu finden.“